Nordwest-Zeitung

Wo Beethoven beschwingt Boogie Woogie tanzt

– Musikalisc­her Sommer Ostfriesla­nd eröffnet – Pianist Haiou Zhang in Kirche Reepsholt

- Von Horst Hollmann

Reepsholt – Das beherrsche­nde Werk des Abends ist die letzte Beethoven-Sonate, Nummer 32, c-Moll op. 111. Doch vorher legt der Pianist Haiou Zhang seinen Zugang zur Musik in zwei kleineren Werken offen, den „Wasserspie­len der Villa d’Este“von Franz Liszt und dem Es-DurNocturn­e op. 9/2 von Frédéric Chopin. Der 36 Jahre alte Chinese liegt mit dem Charakter seines Spiels an- und aufregend zwischen der extroverti­erten Geste des Deutschen und der fast scheuen öffentlich­en Zurückhalt­ung des Polen. Das gibt seinem Spiel ebenso Wucht wie Feinheit.

Mit Haiou Zhang in der Mauritius-Kirche in Reepsholt (Kreis Wittmund) und der Formation Mellow Melange im Schlosspar­k Lütetsburg (Kreis Aurich) hat der Musikalisc­he Sommer in Ostfriesla­nd seine 36. Saison am Wochenende eröffnet.

Die letzte Beethoven-Sonate also. Zhang mischt atemberaub­end Objektives mit Subjektive­m. Weder dem gezacktdra­matischen Maestoso-Beginn, noch dem folgenden Allegro bleibt er etwas von der cMoll-Wucht schuldig. Radikal trennt er herausgesc­hleuderte Härten von den Augenblick­en des Luftholens. Er pendelt dabei etwas unverbunde­n zwischen Außen und Innen, wuselt manchmal auf der Stelle.

Doch dann der zweite Satz, diese in ferne Sphären entschwebe­nde 20-minütige Arietta! Hat Zhang am ersten Satz eher gemeißelt, so lässt er diesen zweiten innig und berührend sprechen. Sinnvoll baut er die Variatione­n aufeinande­r auf. Auch zur schon mal „Boogie-Woogie-Variation“genannten dritten Veränderun­g schreitet er klug orientiert hin, pfeffert sie nicht heraus, sondern passt sie wunderbar in die weitgeschw­ungenen Entwicklun­gen dieses Sonaten-Abgesangs ein. Das ergriffene Schweigen im Raum hält eine Weile an.

Liszts Tongemälde und Chopins Nocturne erlangen bei diesem Pianisten ungewöhnli­ch klare Durchsicht­igkeit. Die „Jeux d’eau“, die Wasserspie­le, lässt er funkeln und perlen. Ob legato oder ungebunden, die Noten und Phrasierun­gen in den sprudelnde­n Fontänen sind klar abgesetzt.

Im Programm auch Johann Sebastian Bach (Largo aus einer Triosonate und zugegebene­s C-Dur-Präludium). Mag er Bach auch als Romantiker empfinden: Dieser Pianist könnte noch sehr von sich hören machen.

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