Bei den Bestattern heißt es Pappel statt Mahagoni
Trotz steigender Zahl der Beerdigungen: Geschäft von Bestattern im Nordwesten belastet
Oldenburg – 2020 sind in Deutschland etwa fünf Prozent mehr Menschen als im Durchschnitt der vier Vorjahre gestorben. Die Umsätze von Bestattern sind allerdings nicht im gleichen Maß gewachsen. Im Gegenteil, bei vielen Unternehmen gingen sie zurück. Denn im Lockdown fielen Trauergesellschaften meist klein aus. Manch ein Verstorbener wurde weniger aufwendig beerdigt, als es vor Corona der Fall gewesen wäre.
Sparen bei Urne und Sarg
Das Oldenburger Bestattungsunternehmen Fritz Hartmann verkauft zwar weiterhin auch Mahagoni-Särge in italienischem Design für 4000 Euro. Sollen die Verstorbenen im Sarg eingeäschert werden, wählten die Angehörigen aber zunehmend die günstigste Ausführung aus Pappelholz, sagt Michael Fritz Hartmann, der das Unternehmen in vierter Generation führt. Bei der Urne lasse sich ebenfalls sparen.
Auf ein Schmuckgefäß, das an Schnüren in die Erde gelassen wird, sei zuletzt häufiger verzichtet worden. Hartmann fragt sich, warum manche Bestattung derzeit so einfach ausfällt: Die Kaffeetafel ent
Die Pandemie verändert den Arbeitsalltag von Bestattern wie Michael Fritz Hartmann (rechts) und seinem Mitarbeiter Martin Schult. Neben den Umsatzeinbußen beschäftigen das Oldenburger Unternehmen vor allem die Folgen für die Angehörigen Verstorbener: Die Kontaktbeschränkungen erschweren es, feierlich Abschied zu nehmen.
fällt, weil die Gaststätten geschlossen sind. Singen ist untersagt. Anstelle einer Zeremonie bei Kerzenschein gibt es manchmal nur eine kurze Andacht im Freien.
Auch durch den Trend zur Urne fallen Bestattungen zunehmend schlichter aus. In Norddeutschland werden inzwischen etwa 70 Prozent der Verstorbenen eingeäschert, schätzt der Nordenhamer Bestatter Ansgar Coners. Während
auf einem Quadratmeter für vier Urnen Platz sei, brauche ein Sarg auf dem Friedhof die doppelte Fläche, erklärt sein Oldenburger Kollege Hartmann. Die Folge: „Wo es früher vier Kränze bei einer Erdbestattung gab, liegt jetzt nur noch ein Urnengesteck.“
Dass Hartmann derzeit weniger Umsatz macht, nimmt er gelassen: „In den 140 Jahren unserer Firma gab es schlimmere Krisen.“Mit dem Ende
der Pandemie erwartet er wieder größere Gesellschaften auf den Friedhöfen. „Ich hoffe für die Trauerkultur, dass sich das bald ändert.“Mehr noch als seine Branche sieht Hartmann andere Gewerbe betroffen. Vor Corona habe er bei fast jeder Bestattung einen Steinmetz kontaktiert, zuletzt sei das eher Ausnahme gewesen. Einbußen müssten auch Grabredner, Gastronomen und Floristen hinnehmen.
Einsames Trauern
Die Pandemie macht es für Angehörige schwerer, sich würdevoll von den Verstorbenen zu verabschieden. Trauern wird zur einsamen Angelegenheit, ganz gleich, ob der Tod durch das Coronavirus oder anders bedingt war. Die begrenzte Personenzahl zwingt viele Familien zu heiklen Entscheidungen, wer an der Zeremonie teilnehmen darf.
In manchen Regionen verzeichnet die Branche trotz der zusätzlichen Sterbefälle ein Minus von 40 Prozent, berichtete der Bundesverband unabhängiger Bestatter der „Wirtschaftswoche“. Im Nordwesten gilt das zumindest nicht für alle. Für sein Nordenhamer Unternehmen habe der Lockdown kaum wirtschaftliche Folgen, sagt Ansgar Coners. Weit schwerwiegender als etwaige Einbußen für seine Branche seien die psychologischen Folgen für die Hinterbliebenen. „Die dürfen sich bei einer Trauerfeier nicht einmal in den Arm nehmen“, sagt Coners.
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