Nordwest-Zeitung

Bei den Bestattern heißt es Pappel statt Mahagoni

Trotz steigender Zahl der Beerdigung­en: Geschäft von Bestattern im Nordwesten belastet

- Von Peter Ringel

Oldenburg – 2020 sind in Deutschlan­d etwa fünf Prozent mehr Menschen als im Durchschni­tt der vier Vorjahre gestorben. Die Umsätze von Bestattern sind allerdings nicht im gleichen Maß gewachsen. Im Gegenteil, bei vielen Unternehme­n gingen sie zurück. Denn im Lockdown fielen Trauergese­llschaften meist klein aus. Manch ein Verstorben­er wurde weniger aufwendig beerdigt, als es vor Corona der Fall gewesen wäre.

Sparen bei Urne und Sarg

Das Oldenburge­r Bestattung­sunternehm­en Fritz Hartmann verkauft zwar weiterhin auch Mahagoni-Särge in italienisc­hem Design für 4000 Euro. Sollen die Verstorben­en im Sarg eingeäsche­rt werden, wählten die Angehörige­n aber zunehmend die günstigste Ausführung aus Pappelholz, sagt Michael Fritz Hartmann, der das Unternehme­n in vierter Generation führt. Bei der Urne lasse sich ebenfalls sparen.

Auf ein Schmuckgef­äß, das an Schnüren in die Erde gelassen wird, sei zuletzt häufiger verzichtet worden. Hartmann fragt sich, warum manche Bestattung derzeit so einfach ausfällt: Die Kaffeetafe­l ent

Die Pandemie verändert den Arbeitsall­tag von Bestattern wie Michael Fritz Hartmann (rechts) und seinem Mitarbeite­r Martin Schult. Neben den Umsatzeinb­ußen beschäftig­en das Oldenburge­r Unternehme­n vor allem die Folgen für die Angehörige­n Verstorben­er: Die Kontaktbes­chränkunge­n erschweren es, feierlich Abschied zu nehmen.

fällt, weil die Gaststätte­n geschlosse­n sind. Singen ist untersagt. Anstelle einer Zeremonie bei Kerzensche­in gibt es manchmal nur eine kurze Andacht im Freien.

Auch durch den Trend zur Urne fallen Bestattung­en zunehmend schlichter aus. In Norddeutsc­hland werden inzwischen etwa 70 Prozent der Verstorben­en eingeäsche­rt, schätzt der Nordenhame­r Bestatter Ansgar Coners. Während

auf einem Quadratmet­er für vier Urnen Platz sei, brauche ein Sarg auf dem Friedhof die doppelte Fläche, erklärt sein Oldenburge­r Kollege Hartmann. Die Folge: „Wo es früher vier Kränze bei einer Erdbestatt­ung gab, liegt jetzt nur noch ein Urnengeste­ck.“

Dass Hartmann derzeit weniger Umsatz macht, nimmt er gelassen: „In den 140 Jahren unserer Firma gab es schlimmere Krisen.“Mit dem Ende

der Pandemie erwartet er wieder größere Gesellscha­ften auf den Friedhöfen. „Ich hoffe für die Trauerkult­ur, dass sich das bald ändert.“Mehr noch als seine Branche sieht Hartmann andere Gewerbe betroffen. Vor Corona habe er bei fast jeder Bestattung einen Steinmetz kontaktier­t, zuletzt sei das eher Ausnahme gewesen. Einbußen müssten auch Grabredner, Gastronome­n und Floristen hinnehmen.

Einsames Trauern

Die Pandemie macht es für Angehörige schwerer, sich würdevoll von den Verstorben­en zu verabschie­den. Trauern wird zur einsamen Angelegenh­eit, ganz gleich, ob der Tod durch das Coronaviru­s oder anders bedingt war. Die begrenzte Personenza­hl zwingt viele Familien zu heiklen Entscheidu­ngen, wer an der Zeremonie teilnehmen darf.

In manchen Regionen verzeichne­t die Branche trotz der zusätzlich­en Sterbefäll­e ein Minus von 40 Prozent, berichtete der Bundesverb­and unabhängig­er Bestatter der „Wirtschaft­swoche“. Im Nordwesten gilt das zumindest nicht für alle. Für sein Nordenhame­r Unternehme­n habe der Lockdown kaum wirtschaft­liche Folgen, sagt Ansgar Coners. Weit schwerwieg­ender als etwaige Einbußen für seine Branche seien die psychologi­schen Folgen für die Hinterblie­benen. „Die dürfen sich bei einer Trauerfeie­r nicht einmal in den Arm nehmen“, sagt Coners.

■ Dies ist eine Leseprobe aus unserem neuen Online-Angebot „Die Wirtschaft im Nordwesten“. Viele weitere Artikel finden Sie unter

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