Nordwest-Zeitung

Siegestaum­el begleitet von Ärger

Dänemark zieht ins Halbfinale ein – Streit über abgenommen­e Regenbogen­fahne

- Von jan Mies

Baku – Diesmal war es kein Stadion, sondern eine kleine regenbogen­farbene Fahne, die bei der EM für große Aufmerksam­keit sorgte. Das Mitbringse­l dänischer Fans beim 2:1Viertelfi­nalsieg gegen Tschechien als Zeichen für Toleranz und Vielfalt wurde kurz vor dem Anpfiff in Baku von grimmig schauenden Ordnern einkassier­t – und löste eine erneute Debatte aus über die Rolle der Europäisch­en Fußball-Union Uefa, die am Samstagabe­nd mit einer Bemerkung zu dem Vorfall irritierte.

Viele Widersprüc­he

In einer Stellungna­hme teilte der Dachverban­d zwar mit, das Handeln der Sicherheit­skräfte zu untersuche­n. Die Regenbogen­flagge sei dem Fan zurückgege­ben worden – und ein Symbol, das die Grundwerte der Uefa verkörpere. Zunächst habe die Uefa aber Informatio­nen über einen „stark betrunkene­n“Fan erhalten, der Ärger mit anderen Anhängern im Stadion gehabt habe. Die Ordnungskr­äfte „griffen ein und ließen den Fans trotz seines Zustands bleiben“.

Die umstritten­e Szene: Zwei Ordner nehmen zwei DänemarkFa­ns eine Regenbogen-Fahne ab.

Dem widersprac­h der dänische Verband deutlich. Es seien Mitarbeite­r in der Nähe des Vorfalls gewesen, twitterte Ronnie Hansen, kaufmännis­cher Leiter des Verbands. Die Ansicht des Dachverban­des über den Zustand des Fans werde überhaupt nicht geteilt.

Der Szene im Olympiasta­dion der islamisch geprägten Hauptstadt Aserbaidsc­hans ist auf Fotos dokumentie­rt. Zu sehen ist, wie zwei Ordner heftig mit den Fans diskutiert­en. Ein Ordner zerrte an der Fahne, diese war kurz darauf verschwund­en. In dänischen Medien sagte der Fan, der die Fahne ins Stadion gebracht hatte, dass Ordner ihm diese aus der Hand gerissen hätten. Er sei schockiert darüber gewesen.

Sportlich erreichten die Dänen

den nächsten Höhepunkt ihrer emotionale­n Reise. Nach dem Jubel-Taumel von Baku über den ersten Halbfinale­inzug seit dem Überraschu­ngstriumph 1992 soll Christian Eriksen nun auch als Inspiratio­n für das große Duell mit Gastgeber England in London dienen. „Ich denke jeden Tag an Christian, vor dem Spiel und nach dem Spiel“, sagte Coach Kasper Hjulmand ergriffen über seinen im ersten EMSpiel kollabiert­en Spielmache­r. „Ich bin froh, dass er überlebt hat. Wir haben ihn hierhin mitgenomme­n und werden ihn auch mit nach Wembley nehmen.“

Seit dem bangen Zittern um Eriksen wird das dänische Team von einer Woge der Zuneigung emotional durch dieses Turnier getragen. In der Heimat feierten die Fans nicht nur in Kopenhagen stolz und ausgelasse­n. Auch ans Kaspische Meer waren mehr als 1000 Anhänger mitgereist. Hjulmand jubelte ihnen mit einem Schlapphut zu, der überragend­e Thomas Delaney hüpfte mit nacktem Oberkörper eingehüllt in eine dänische Fahne auf und ab. Das Team versammelt­e sich vor dem eigenen Fan-Block zum großen Fußball-Familienfo­to.

Appell an Premiermin­ister

„Er war der beste Spieler über viele Jahre, wir tragen ihn in unserem Herzen, er sollte hier bei uns sein. Wir kämpfen immer noch damit. Aber ihn stolz zu machen, macht mich glücklich“, sagte Delaney (früher Werder Bremen, jetzt Borussia Dortmund), der das 1:0 erzielte hatte. Die nächste Chance dafür bietet sich am Mittwoch (21 Uhr), wenn bei Gastgeber England der nächste Coup gelingen soll. Nach aktuellem Stand dürfen wegen der Corona-Beschränku­ngen aber nur in Großbritan­nien lebende Dänen ins Stadion. Hjulmand appelliert­e an Premiermin­ister Boris Johnson, diese Regelung zu lockern.

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Dpa-BILD: Baker So feiert das Überraschu­ngsteam dieser EM: Dänemarks Spieler posieren vor ihren mitgereist­en Fans in Baku.
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Dpa-BILD: Darko Vojinovic
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BILD: Martin Remmers

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