Nordwest-Zeitung

Für sie macht die Bahn nicht mobil

Was die Oldenburge­rin Maren Thaden bei ihrer Fahrt in den Urlaub erlebte

- Von Arne Jürgens

– Maren Thaden sitzt im Rollstuhl. Ihr ist es dennoch wichtig, ein möglichst selbstbest­immtes Leben zu führen. So wohnt sie in einer betreuten Wohngemein­schaft in Oldenburg. Am Montag wollte sie sich nach einer schweren Erkrankung in den Sommerurla­ub verabschie­den, um endlich mal wieder ausspannen zu können. Weil der Fahrstuhl im Oldenburge­r Bahnhof kaputt ist, entschied sie, auf eigene Kosten mit dem Taxi nach Bad Zwischenah­n zu fahren, um dort in den Zug nach Dresden einzusteig­en.

Doch von dort aus fuhr sie nie los. Als der Zug in den Zwischenah­ner Bahnhof einfuhr, warteten Maren Thaden und ihre Assistenti­n, auf die sie angewiesen ist, vergeblich auf eine Einstiegsh­ilfe. Diese hatten sie vorher online beantragt. Der Regionalex­press der Deutschen Bahn fuhr schließlic­h ab und ließ die 31-jährige Rollstuhlf­ahrerin mitsamt zwei schweren Koffern und weiterem Gepäck am Bahnsteig sitzen.

„Es war niemand da, um uns zu helfen. Als wir versucht haben, im Büro nach jemandem zu gucken, ist uns der Zug vor der Nase weggefahre­n“, erzählt Thaden. Auch ein Anruf bei der Mobilitäts­zentrale habe nichts gebracht. Dort hätte man nur gesagt, dass man nichts tun könne: „Ich finde, es ist eine bodenlose Frechheit, dass uns nicht geholfen wird. Der Spruch ,Die Bahn macht mobil‘ gilt wohl nicht für Leute mit Beeinträch­tigungen oder im Rollstuhl. Es kann nicht sein, dass man stehen gelassen wird – oder in meinem Fall sitzen gelassen.“

Am Dienstag ist Maren Thaden dann schließlic­h mit ihrer Assistenti­n in den Urlaub gestartet. Doch auch dabei klappte längst nicht alles. Lesen Sie dazu den Bericht auf

Oldenburg/Bad Zwischenah­n

– Eine Bahnfahrt mit vielen Hinderniss­en hat die Rollstuhlf­ahrerin Maren Thaden hinter sich. Die 31-jährige Oldenburge­rin wollte mit ihrer Assistenti­n Julia Schiller am Montag mit dem Zug von Bad Zwischenah­n nach Dresden in den Urlaub fahren, weil der Fahrstuhl am Bahnhof in Oldenburg defekt ist.

Allerdings wurde daraus nichts, denn es gab keine Einstiegsh­ilfe. So fuhr der Zug ohne die beiden Reisewilli­gen ab.

■ Start der Reise

Soweit, so ärgerlich. Doch wer jetzt denkt, die Geschichte nimmt danach eine gute Wendung, hat sich getäuscht. Am Dienstagmo­rgen traten Thaden und Schiller schließlic­h einen erneuten Versuch an. Auf eigene Kosten fuhren sie wieder mit dem Taxi nach Bad Zwischenah­n – am Oldenburge­r Bahnhof sei weiterhin der Aufzug defekt. Zweimal hatte die Assistenti­n die Einstiegsh­ilfe beim Mobilitäts­service der Deutschen Bahn angemeldet. „Denn Maren benötigt Unterstütz­ung beim Ein- und Aussteigen mittels Rampe in den Zug, außerdem benötigt sie Hilfe beim Transporti­eren ihres Gepäcks. Wir bekamen eine Bestätigun­g, dass wir barrierefr­ei von Bad Zwischenah­n über Wunstorf nach Dresden fahren können“, sagt Schiller.

Es war also alles soweit vorbereite­t: „Wir dachten ja, dass es nach dem Schlamasse­l am gestrigen Tage heute reibungslo­s verlaufen würde.“Doch dann das: Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, kam erneut niemand, um der Rollstuhlf­ahrerin beim Einsteigen zu helfen. Kurzentsch­lossen habe sich Schiller in die Tür gestellt. Es ertönte die Durchsage, die Türen sollten freigemach­t werden. Schließlic­h wurden die Reisenden nach vorn gewunken. „Eine nette Passantin hat uns geholfen, die Trollis zu ziehen, die Schaffneri­n half uns nicht“, so Schiller. Schließlic­h habe man ihnen vorgeworfe­n, dass der Zug nun Verspätung hätte.

■ Keine Einstiegsh­ilfe

Planmäßig kam der Regionalex­press schließlic­h in Wunstorf an. „Am Bahngleis angekommen, warteten wir auf den Mobilitäts­service, der uns bei dem Transport des Gepäcks hilft und uns zum richtigen Gleis bringt. Es kam niemand. Also musste ich erst Maren die meterlange Rampe zur Unterführu­ng hinunter schieben, dort stehen lassen, wieder hoch und das Gepäck hinterher tragen. Dasselbe Spiel wieder zum Bahngleis hoch“, erzählt Schiller.

Und es kommt noch dicker: An der Informatio­n sei den beiden Reisenden mitgeteilt worden, dass in Wunstorf keine Einstiegsh­ilfe angemeldet wurde. Schließlic­h stellte sich heraus, dass Rollstuhlf­ahrer gar nicht über Wunstorf geschickt werden sollten, da der Intercity nach Dresden keine Rampe hätte, mit welcher der Einstieg möglich wäre. „Ich möchte betonen, dass ich in den letzten Tagen insgesamt mit drei Mitarbeite­rn der Mobilitäts­zentrale über diese Fahrt gesprochen habe – und niemand ist darüber gestolpert, dass der Zustieg in Wunstorf in den IC nicht möglich ist“, sagt Schiller. Dabei sei dieser Service der Bahn gerade dafür da, solchen Hinderniss­en vorzubeuge­n.

■ Ankunft am Ziel

Daraufhin hätte ein netter Mitarbeite­r an der Informatio­n eine neue Verbindung rausgesuch­t und an allen Bahnhöfen die Einstiegsh­ilfe angemeldet. Also fuhren die Rollstuhlf­ahrerin und ihre Assistenti­n von Wunstorf nach Braunschwe­ig. Dort seien sie von einer Mitarbeite­rin der Deutschen Bahn herzlich empfangen und zum richtigen Gleis gebracht worden.

In Dresden war dann allerdings kein Rollstuhl-Taxi zu finden, sodass die Reisenden ihr Gepäck kurzerhand mit einem Taxi in die Jugendherb­erge bringen lassen mussten. Sie selbst nahmen die S-Bahn – wobei beim ersten Versuch kein Schaffner zu finden war, der ihnen beim Einsteigen hätte helfen können. Zwei Stunden verspätet kamen Thaden und Schiller endlich in der Jugendherb­erge an: „Sehr erschöpft und müde. So macht Reisen keinen Spaß.“

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BILD: Arne Jürgens Mit zwei großen Koffern strandete Maren Thaden am Montag auf dem Bahnhof in Bad Zwischenah­n.
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BILD: Privat Zugfahrt mit Hinderniss­en: Maren Thaden sitzt im Rollstuhl. Über die Mobilitäts­zentrale war ihre Fahrt angemeldet. Am Bahnhof in Bad Zwischenah­n war aber niemand da.

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