Nordwest-Zeitung

Liebeserkl­ärung an die Stadt an der Themse

RBB zeigt heute „Postcards from London“– Queeres Kino mit britischem Nachwuchss­tar Harris Dickinson

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London/dpa – Jim kommt aus der Kleinstadt nach London, um in der großen Stadt sein Glück zu versuchen. Stattdesse­n wird er ausgeraubt und muss auf der Straße übernachte­n. Dort findet er zu einer Gruppe von Callboys, die sich auf intellektu­elle Gespräche vorm Sex spezialisi­ert haben.

Jim schließt sich an und steigt schnell vom naiven Anfänger zur gefragten Begleitung und Künstler-Muse auf. Der Spielfilm „Postcards from London“ist eine Liebeserkl­ärung an die britische Hauptstadt und läuft an diesem Donnerstag um 23.30 Uhr im RBB. In der Hauptrolle glänzt der britische Nachwuchss­tar Harris Dickinson.

Kunst der Konversati­on

Die Männer-Escort-Gruppe „The Raconteurs“(aus dem Französisc­hen: raconter: erzählen) nimmt sich Jim (Harris Dickinson) an und weiht ihn in die Kunst der Konversati­on vor und nach dem Sex ein. Es geht vor allem um barocke Malerei, um alte Meister und die Deutung ihrer Werke. Das ist es, was die Kunden mögen. Und sie mögen Jim. Wäre da nur nicht die Krankheit, unter der der angehende Escort-Star leidet: Das Stendhal-Syndrom, eine seltene, psychosoma­tische Störung, lässt Jim regelmäßig bei der Betrachtun­g großer Kunst in Ohnmacht fallen.

1994 hatte Steve McLean sich mit „Postcards from America“dem Leben des früheren US-Performanc­e-Künstlers David Wojnarowic­z gewidmet. Das Fachmagazi­n „Variety“hatte den Film als träges Experiment bezeichnet, das zwar aufgedonne­rt daherkomme, den Zuschauer aber nicht mitnehme.

Auch bei „Postcards from London“fällt es schwer, den Film trotz seiner grandiosen Idee anders zu sehen. Anfangs noch locker und lustig erzählt, plätschert die Handlung spätestens ab der Hälfte immer gemächlich­er vor sich hin – um letztlich in einer Art Zeitlupe auszufrans­en. Da reichen dann auch eineinhalb Stunden, um sich aus der engen, rotlichtüb­erfluteten Holzschnit­t-Unterwelt raus ans Tageslicht zu wünschen.

Möglichkei­t verschenkt

Jedoch lohnt es sich, auf die gelungenen Elemente zu achten. Da ist der Rückblick auf das heimische, mit 70er-JahreTapet­en ausgekleid­ete Elternhaus, aus dem Jim so dringend ausbrechen will. Da sind seine Halluzinat­ionen, in denen er selbst zum Objekt seines Lieblingsm­alers Caravaggio wird. Da ist die verwahrlos­te Prostituie­rte von der Straße, die kurze Zeit später zu Jims Hausärztin wird. Alles Dinge, die einen zum Schmunzeln bringen. Und zum Weinen – um eine Idee, die eigentlich zu gut ist, um hier verschenkt zu werden.

Das RBB-Fernsehen zeigt den Spielfilm „Postcards from London“zum Abschluss der diesjährig­en Filmreihe „RBB Queer“als deutsche Erstausstr­ahlung.

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BILD: Salzgeber Medien/dpa Jim (Harris Dickinson) will in „Postcards from London“sein Glück in der britischen Hauptstadt versuchen – und trifft auf eine Gruppe Callboys.
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