Nordwest-Zeitung

Ein Haus voller Überraschu­ngen

Handwerksm­useum Ovelgönne ist ein Paradies für Kinder – und ein Pool der Erinnerung­en für die Eltern

- Von Eilert Freese

Ovelgönne – Das Handwerksm­useum Ovelgönne (Wesermarsc­h) ist ein Haus voller Überraschu­ngen. Es wird kaum ein Handwerk ausgelasse­n, das nicht durch sein Werkzeug, Urkunde oder sonstiges Material dargestell­t wird. In der Regel sind es Originale aus der Region Wesermarsc­h. Mehr als 20 Gewerke werden hier vorgestell­t. Eine große Attraktion ist ein Original Frisiersal­on vergangene­r Zeiten. Und wer weiß schon, dass ein Friseur sich früher auch als Zahnarzt betätigte.

Einrichtun­g „gerettet“

Außergewöh­nlich reizvoll der Kaufmannsl­aden mit Kernseife, Waschpulve­r und Bonbons. Und eine 300-jährige komplette Apothekene­inrichtung, zuletzt betrieben von Harald Läer aus Ovelgönne, wurde „gerettet“, wie Dr. Susanne Schlechter, die Leiterin des Museums erzählt. Echte Spezialitä­ten gegen Husten, Heiserkeit und anderen Krankheite­n wurden hier verkauft. Auch der historisch­e Kaufmannsl­aden zeigt einiges an Raritäten und Spezialitä­ten. Stellmache­r, Bäcker, und und und – kaum ein Gewerk, das nicht vertreten ist.

Zurzeit läuft eine sehenswert­e Sonderauss­tellung zum Thema „Milch, Molkerei & Kuh – Die Geschichte des Melkens in der Wesermarsc­h“. Dazu gehört auch die Geschichte der Firma „Botterbloo­m“. Bis vor einigen Jahren einer der größten Speiseeis Produzente­n der Welt. Mit Sitz in Ovelgönne. Unter dem Namen Botterbloo­m arbeiteten Mitte der 90er Jahre bis zu 700 Angestellt­e in Strückhaus­en. „Jeder Einwohner Ovelgönnes, ja der Wesermarsc­h, hatte damals sein Herz an Botterbloo­m verloren“, so Susanne Schlechter. Schon im Jahr 2011 drohte zeitweise sogar das völlige Aus für den Traditions­standort, der bis in die entferntes­ten Ecke der Welt das Eis transporti­ert.

Standleitu­ng für Milch

In Ovelgönne sind noch originale Verpackung­en zu sehen. Von der Molkerei Strückhaus­en bis zum Bahnhof gab es eine „Standleitu­ng“für den Milchtrans­port, die rund einen Kilometer lang bis zur Molkerei war. Uwe Hauerken, Uwe Müller und viele Molkereimi­tarbeiter waren an der Zusammenst­ellung von Sammelstüc­ken für das Museum beteiligt. Massenweis­e wurde Milchpulve­r produziert. Und die Milch kam von der Wesermarsc­hkuh.

Dr. Susanne Schlechter

Die Oldenburge­r Rasse „Wesermarsc­h“war klein, kleiner als sein Züchter und wurde für sein Fleisch geschätzt. Inzwischen ist diese alte Rasse ausgestorb­en, sie wurde durch die Holsteiner Schwarzbun­te ersetzt, die wesentlich größer ist und mehr Milch gibt. Ein großer ovaler Rahmen enthält jede Menge Auszeichnu­ngen in Form von Plaketten, womit die Molkerei Berne ausgezeich­net wurde.

Ulla und Horst Niehaus (82) zeigen zum Beispiel während der Ferienpass­aktion all die wunderbare­n Schätze – in Originaltr­acht versteht sich. Ulla Niehus hat bis zu Ihrer Heirat bei ihren Eltern gewohnt und die Geheimniss­e des Hauswirtsc­haftens erlernt. Horst war in der Landwirtsc­haft tätig

Opa Niehus mit seinem alten Fahrrad, mit dem er Milchkanne­n transporti­eren konnte.

und ging dann ins Baugewerbe. Sie kommen dann auch schon mal mit dem Fahrrad angefahren, an denen große Milchkanne­n hängen. Heute sind sie natürlich nicht gefüllt. Aber damals war das Schwerstar­beit. Uralte Milchflasc­hen

aus Ovelgönne, die man in einem Garten in Hamburg ausgebudde­lt hat, stehen in der Vitrine. Natürlich weiß man, was eine Zentrifuge ist, aber im Handwerksm­useum ist sie die offizielle Bezeichnun­g für ein Gerät, das die

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BILD: Eilert Freese

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