Nordwest-Zeitung

Mythen rund um die Probezeit

Schon das kleinste Fehlverhal­ten kann zur Kündigung führen, oder?

- Von Sabine Meuter

Johannes Schunk (links) und Matthäus Jörg sind beide Schuhmache­rmeister. Sie haben ein tolles Projekt erdacht und umgesetzt: einen Schuh in der (fiktiven) Größe 240, „aus Liebe zum Schuh und dem Handwerk“, wie sie sagen. Der schwarz-braune Riesen-Schuh steht samt seinem Leisten in der Werkstatt von Matthäus Jörg in Münsingen (Baden-Württember­g). Der 1,6 Meter lange Schuh wiegt laut Jörg 27 Kilogramm, sein Leisten 57 Kilogramm. Bei der Herstellun­g half ein befreundet­er Schreiner. Er baute den Leisten aus 0,7 Festmetern Lindenholz. Nach Schätzunge­n des Zentralver­bandes des Deutschen Schuhmache­r Handwerks vom vergangene­n Jahr gibt es deutschlan­dweit nur noch 500 bis 600 Schuhmache­r. Nur noch sehr wenige junge Leute absolviere­n eine Ausbildung.

Womöglich mehrere Jahre in Elternzeit gewesen und dann wieder zurück in den Job – wie geht es weiter? Kann man danach genau dort wieder einsteigen, wo man aufgehört hat? „Die Elternzeit ändert nichts an dem Arbeitsver­tragsinhal­t“, stellt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht aus Berlin, klar. Das heißt aber nicht, dass man nach dem Ende der Elternzeit automatisc­h wieder die exakt gleichen Aufgaben übernehmen kann wie vor der Elternzeit. „Der Arbeitgebe­r muss vertragsge­recht beschäftig­en“, sagt der Arbeitsrec­htsexperte. Die Tätigkeit müsse immer im Bereich der Fähigkeite­n und Kenntnisse des Arbeitnehm­ers oder der Arbeitnehm­erin liegen.

Köln/Berlin – Die Probezeit ist aus arbeitsrec­htlicher Sicht ein schwammige­s Konstrukt. Höchste Zeit also für Fakten. Hier kommen einige wichtige Fragen und die Antworten.

Dauert die Probezeit immer sechs Monate

„Nein“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht in Köln. Die Probezeit kann nach ihren Angaben individuel­l bemessen werden, darf aber höchstens sechs Monate dauern. Bei befristete­n Arbeitsver­hältnissen muss die Probezeitd­auer im angemessen­en Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrages stehen. Darauf weist Daniel Stach hin, Gewerkscha­ftssekretä­r im Bereich Recht und Rechtspoli­tik der Gewerkscha­ft Verdi. „Damit dürfte beispielsw­eise bei einem auf zwölf Monate befristete­n Arbeitsver­trag die zulässige Höchstdaue­r der Probezeit allenfalls drei Monate betragen.“

Darf man in der Probezeit keinen Urlaub nehmen

Auch das ist nicht zutreffend. „Man erwirbt in den ersten sechs Monaten der Beschäftig­ung für jeden vollen Monat ein Zwölftel des Urlaubsans­pruchs – der darf genommen werden“, sagt Nathalie Oberthür. Der volle Jahresurla­ubsanspruc­h entsteht in der Regel erst nach sechsmonat­igem Bestehen des Arbeitsver­hältnisses.

Bekommt man bei Krankheit kein Geld

„Das ist teilweise richtig“, sagt Oberthür. In den ersten vier Wochen bestehe kein Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung, danach schon. Erkranken Beschäftig­te nach vier Wochen Probezeit, steht ihnen eine Entgeltfor­tzahlung für die Zeit der Arbeitsunf­ähigkeit zu. Maximal sechs Wochen. „Daran schließt sich gegebenenf­alls der Bezug von Krankengel­d durch die gesetzlich­e Krankenver­sicherung an“, so Stach.

Auch wenn das Kündigungs­schutzgese­tz wegen der sechsmonat­igen Wartezeit noch nicht anwendbar ist, greift trotzdem der gesetzlich­e Mindestsch­utz vor krankheits­bedingten Kündigunge­n. „Arbeitnehm­er können in solchen Fällen das Arbeitsger­icht anrufen und überprüfen lassen, ob die Probezeitk­ündigung unwirksam ist“, sagt Daniel Stach.

Man darf als Firma nicht einfach fristlos kündigen

„Das stimmt“, sagt Oberthür. Eine fristlose Kündigung ist in wie auch nach der Probezeit nur aus wichtigem Grund möglich. Allerdings: Eine fristlose Kündigung während der

Probezeit ist laut Stach wegen der ohnehin verkürzten Kündigungs­frist von nur zwei Wochen in der Praxis eher selten.

Sind Kündigungs­schutzklag­en in der Probezeit per se erfolglos

Nein, auch eine Kündigungs­schutzklag­e gegen eine ordentlich­e Kündigung in der Probezeit kann zum Erfolg führen. „Und das ist in der Praxis nicht selten“, sagt Daniel Stach. Eine Probezeitk­ündigung ist unwirksam, wenn sie etwa sittenwidr­ig ist oder gegen ein gesetzlich­es Verbot verstößt. Auch in der Probezeit dürfen Arbeitgebe­r eine Kündigung nicht auf sachfremde oder willkürlic­he Erwägungen stützen.

Gilt in der Probezeit kein Mutterschu­tz damit verbundene Kündigungs­schutz – gilt auch in der Probezeit“, sagt Oberthür. Die einzige Ausnahme ist laut Stach eine Kündigung mit behördlich­er Zustimmung, etwa bei einer Betriebsst­illlegung.

Man darf sich in der Probezeit nichts zu Schulden kommen lassen

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Kleinere Unachtsamk­eiten führen in aller Regel nicht zu arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en.

Beschäftig­te in der Probezeit können sich auf ihren verfassung­srechtlich­en Mindestkün­digungssch­utz während der Probezeit berufen.

Daniel Stach: „Gleichwohl ist es ratsam, während der Probezeit besonders penibel auf die Einhaltung der arbeitsver­traglichen Pflichten zu achten.“

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Tmn-BILD: Christin Klose Ein neues Arbeitsver­hältnis beginnt oft mit einer Probezeit.

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