Bundestagspolitik für unsere Region
Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller (SPD) aus Varel zu ihrer Zukunft
Am 26. September wählt Deutschland: Welche Partei sich durchsetzen wird, kann aktuell niemand voraussagen. Der Bundestag sitzt in Berlin – weit weg, könnte man meinen. Nicht wenige bekannte Bundespolitiker stammen jedoch aus dem Nordwesten und haben auch die Aufgabe, sich für ihre Region einzusetzen. In unserer neuen Interview-Serie befragen wir bis zur Wahl je einen Bundespolitiker aus jeder der großen Parteien zu wichtigen nationalen Themen, aber auch zu lokalen Zielen für die kommende Legislaturperiode. In dieser Ausgabe starten wir mit der SPD-Abgeordneten Siemtje Möller.
Frau Möller, für Sie ist es gut gelaufen im Bundestag: Vor vier Jahren gewählt, in der ersten Legislatur schon Sprecherin des Seeheimer Kreises, Mitglied im Verteidigungsausschuss, gefragte Interviewpartnerin in Sachen Gorch Fock, Auslandseinsätze der Bundeswehr. Hätten Sie das selbst erwartet?
Möller: Nein, das habe ich nicht erwartet. Ich bin dankbar und versuche mit aller Verantwortung, die mit einer solchen Rolle einhergeht, die Aufgaben zu erfüllen.
Sie vertreten beim Thema Drohnen für die Bundeswehr andere Ansätze als Ihr Fraktionschef Mützenich, der gar keine bewaffneten Drohnen möchte. Ist Ihre Position auch eine Mehrheitsmeinung der Partei?
Möller: Wir haben zwei Diskussionsstränge rund um Drohnen. Fraktionschef Rolf Mützenich hat vorgeschlagen, dass es ein Kontrollsystem für autonome Waffensysteme gibt, also Waffensysteme, die selbstständig Entscheidungen treffen. Ich halte das für einen sinnvollen Vorschlag. Ich möchte nicht, dass wir in einer Zeit leben, in der die Menschen solchen Maschinen hilflos ausgeliefert sind.
...die Erfahrungen zeigen, dass sich Autokraten, die sich solcher Maschinen bemächtigen könnten, selten an Abmachungen halten …
Möller: Ja und nein. Wir haben über Jahrzehnte Verträge gehabt, die Atomwaffen begrenzt oder Chemiewaffen geächtet haben. Die andere Frage ist, ob wir automatisierte Waffensysteme bei der Bundeswehr einführen. Das sind Drohnen, die von Menschen gesteuert werden. Für die SPD übrigens niemals außerhalb des Einsatzgebiets, jede bewaffnete Drohe darf nur aus
dem Einsatzgebiet heraus gesteuert werden, zum Beispiel in Mali. Ein völkerrechtswidriger Einsatz wie ihn die USA von ihrem Staatsgebiet aus betreiben, scheidet für uns aus.
Ist das eine Mehrheitsmeinung in der SPD?
Möller: Hinsichtlich der Entgrenzung der Entscheidungsfindung und Kontrolle automatisierter Waffensysteme: Absolut. Hinsichtlich der Anschaffung bewaffneter Drohnen gibt es keine ablehnende Entscheidung.
Ist das Scheitern der Afghanistan-Mission ein Vorgriff auf die Entwicklung in Mali, wo ja viele Bundeswehrsoldaten, unter anderem aus Ihrem Wahlkreis, stationiert sind?
Möller: Man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es gibt aber drei Schlussfolgerungen, die auf der Hand liegen: Es bedarf einer umfänglichen Ausstiegsstrategie – etwa welche Meilensteine sind erreicht, welches sind realistische Ziele. Wenn es zum Abzug kommt, muss das sehr umfangreich geplant werden. In Afghanistan ist der Abzug sehr überhastet erfolgt. Darüber hat sich eine Dynamik eingestellt, die nicht mehr zu stoppen war und die auch niemand vorausgesehen hat. Die zweite
Schlussfolgerung ist, dass wir mit einer sehr geringfügigen Präsenz für eine gewisse Stabilität gesorgt haben. Bindet man sich also über Jahrzehnte oder begrenzt man militärische Einsätze von vornherein und verabschiedet sich von der Vorstellung des Nationbuildings. Damit sind wir offenkundig in Afghanistan gescheitert. Nimmt man sich also mehr Zeit oder lässt man es sein? Die dritte Schlussfolgerung betrifft die Ortskräfte. Diese Frage muss schon in dem Mandatstext formuliert werden.
Für Ihren Wahlkreis haben Sie einiges an Fördermitteln rausgeholt. Wenn die SPD nicht mehr in der Bundesregierung ist, geht das dann so weiter? Möller: Ich werde mich weiter für den Wahlkreis einsetzen – von der Förderung des Marinemuseums in Wilhelmshaven bis zur Wiedergründung des Marinemusikkorps. Dazu braucht die SPD weiter ein starkes Mandat.
Wie geht es für Sie selbst weiter in Berlin? Auch dort gilt nach der Wahl: Ist die SPD nicht mehr in der Regierungsverantwortung, werden die Posten weniger.
Möller: Man geht ja nicht wegen guter Posten nach Berlin, sondern weil man seine Aufgabe als Abgeordnete gut erledigen möchte. Es gibt viele spannende Aufgaben in Berlin. Eine Sprecherin oder einen Sprecher für verteidigungspolitische Aufgaben braucht eine Fraktion in jedem Fall. Ich könnte es weiter übernehmen, sofern die Fraktion es will.
Frage: Gibt es eine Regierung mit der SPD?
Möller: Wir haben mit Olaf Scholz einen Kandidaten, der Kanzler kann, im Gegensatz zu CDU und Grünen. Es liegt an den Grünen, die müssten bekennen, ob sie lieber in einer Jamaika-Koalition wirken oder mit der SPD regieren. Es gibt bei einer Regierungsbildung rechnerisch Konstellationen mit und ohne die CDU.
Sie kandidieren in einem Wahlkreis, der seit Langem in SPDHand ist. Trotzdem sind Sie auf einem Listenplatz abgesichert. Fürchten Sie ein schlechtes Abschneiden?
Möller:
Für mich geht es um das Direktmandat.
Frage: Sie kandidieren auch für den Vareler Rat und den friesländischen Kreistag. Bleibt dafür Zeit?
Möller: Die Zeit werde ich mir nehmen, sollten die Bürgerinnen und Bürger mir das Vertrauen aussprechen. Die Entscheidungen in Berlin betreffen immer auch die Kommunen. Es ist hilfreich, wenn man den roten Faden von hier nach Berlin spinnen kann.