„2G für sehr viele Bereiche denkbar“
Ministerpräsident will Präsenzunterricht nach den Ferien unbedingt aufrechterhalten
Das Thema Corona sorgt weiterhin für Diskussionen. Über den Umgang mit Ungeimpften und den bevorstehenden Schulstart sprachen wir mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
Herr Weil, für Ungeimpfte wird der Alltag ungemütlicher. Sie setzen weiter auf 3G, Hamburg schon stärker auf 2G. Droht ein Flickenteppich?
Weil: Auch bei uns gibt es Anreize für 2G, speziell in Diskotheken. Wenn sich die Betreiber dafür entscheiden, nur Geimpfte und Genesene reinzulassen, dürfen sie die Maskenpflicht in den Clubs aufheben. Solche Regelungen wird es künftig immer mehr geben. Ich halte aber ein regional unterschiedliches Vorgehen für gerechtfertigt.
Eine Zwangsverordnung von 2G überall schließen Sie aus? Weil: Das kann ich nicht ausschließen, weil wir die Infektionslage noch nicht überblicken können, die uns im Herbst und Winter erwartet. Ab einem bestimmten Punkt wäre 2G für sehr viele Bereiche denkbar. In der aktuellen Situation wäre das aber nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar und vor Gericht kaum zu rechtfertigen.
Ist das Nein zur Impfpflicht in Stein gemeißelt – oder ein politisches Bekenntnis, das nach der Wahl in sich zusammenfällt?
Weil: Eine Impfpflicht wäre ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Bei den Masern hat es das nur mit Verweis auf die hohe Ansteckungsund Erkrankungsgefahr für Kinder gegeben. Beim Corona-Virus liegen die Dinge zum Glück anders. Deswegen glaube ich nicht, dass eine Impfpflicht kommen wird.
Müssen künftig bei Infektionen in Schulen noch ganze Klassen in Quarantäne?
Weil: Nein, das hielte ich für den falschen Weg. Wir in Niedersachsen werden zu Beginn des Schuljahres jeden Tag alle Kinder testen lassen, später dann dreimal in der Woche. Das betrifft auch geimpfte Kinder. Außerdem halten wir an der Maskenpflicht im Unterricht bis auf weiteres fest. Bei Infektionen in einer Klasse können geimpfte oder genesene Mitschülerinnen und Mitschüler weiter die Schule besuchen, alle anderen haben die Möglichkeit, sich aus der Quarantäne freizutesten. So wollen wir den Präsenzunterricht aufrechterhalten.
Geben Sie nicht eine ganze Generation der Durchseuchung preis, wie Gesundheitsexperten warnen?
Weil: Diesen Begriff halte ich angesichts der vielen Schutzmaßnahmen und strengen Tests für zynisch. Und wir werben sehr dafür, dass Kinder und Jugendliche ab 12 geimpft werden. Wir geben niemanden schutzlos dem Virus preis. Aber es gibt eine Abwägung. Geschlossene Schulen halte ich für sehr viel schädlicher für die Kinder und Jugendlichen.
Wann rechnen Sie mit einem Impfstoff für die jüngeren Kinder?
Weil: Nach allem, was ich höre, kann das schon im September der Fall sein. Ich wäre sehr froh, wenn sich auch jüngere Kinder zeitnah impfen lassen könnten.
Die Corona-Krise hat auch die Bedeutung von Ganztagsbetreuung verdeutlicht. Warum haben Sie das SPD-Vorhaben eines Rechtsanspruchs an Grundschulen im Bundesrat blockiert?
Weil: Mich muss niemand davon überzeugen, dass das ein wichtiges Vorhaben ist. In Niedersachsen arbeiten wir seit Jahren intensiv darauf hin und weiten das Ganztagsangebot sukzessive aus. Ein Rechtsanspruch löst aber sehr hohe Kosten aus und wird ohne eine nachhaltige Unterstützung des Bundes angesichts der gestressten Landeshaushalte nicht darzustellen sein.