Nordwest-Zeitung

Grüner Wasserstof­f am roten Felsen

Wie Helgoland zum Drehkreuz für Öko-Wasserstof­f werden soll – Milliarden-Investitio­nen

- Von Jörg Schürmeyer

Summe (in Millionen-Euro), die der Staat im Zuge der Abwrackprä­mie für Lastwagen bis 1. Juli ausgezahlt hat. Das Geld floss für neue Lkw mit Diesel- und Gas-Antrieb.

Will ein Mann im Frachtbere­ich eines Flughafens beruflich tätig werden, so kann ihm das durch die Luftsicher­heitsbehör­de untersagt werden, wenn er – wenn auch knapp fünf Jahre zuvor, das jedoch mehrfach – strafrecht­lich im Zusammenha­ng mit Drogen in Erscheinun­g getreten ist. Hier saß er 18 Monate im Gefängnis. Sein Argument, er habe „sein Leben seither grundlegen­d geändert“, reichte nicht (VwG Koblenz, 4 K 117/20).

Helgoland/Berlin – Wer an Helgoland denkt, dem fallen vermutlich zunächst die roten Felsen und die weißen Dünen, die „Lange Anna“, die zahlreich brütenden Seevögel oder auch der zollfreie Einkauf ein. Geht es nach Helgolands Bürgermeis­ter Jörg Singer (parteilos) und einem Konsortium namhafter Firmen, soll Deutschlan­ds einzige Hochseeins­el bald auch für grünen Wasserstof­f stehen. Denn die Initiative „Aquaventus“will Helgoland mit Investitio­nen in Milliarden­höhe zum Zentrum für aus Offshore-Wind produziert­en Wasserstof­f machen.

Bis 2035 sollen in der Nordsee, im etwa 350 Kilometer von der Küste entfernten sogenannte­n „Entenschna­bel“, zwischen Helgoland und der Doggerbank, Offshore-Windanlage­n mit einer Leistung von zehn Gigawatt entstehen. Das wäre mehr als die aktuell installier­te Leistung aller deutschen Offshore-Windparks zusammen. Der dort erzeugte Windstrom soll vor Ort in jährlich bis zu einer Million Tonnen Wasserstof­f umgewandel­t und durch eine Pipeline an Land gebracht werden. Mit einem Teil des anlandende­n Wasserstof­fs will Singer den Wärmeund Mobilitäts­bedarf der Insel decken und Helgoland klimaneutr­al machen.

„Bis zu einer Million Tonnen grünen Wasserstof­f pro Jahr in der Nordsee zu erzeugen, klingt wie eine Utopie“, sagt Singer, der auch Vorsitzend­er des Fördervere­ins „Aquaventus“ist. „Wir sind aber überzeugt, dass dies Realität und schon bald eine Normalität werden wird.“Die Kosten für das Gesamtproj­ekt schätzt er auf einen zweistelli­gen Milliarden­betrag.

Die Projektide­e

Die Besonderhe­iten

Bemerkensw­ert ist allein schon die Dimension des Projekts: zehn Gigawatt installier­te Leistung, eine Million Tonnen Wasserstof­f pro Jahr, Investitio­nen in zweistelli­ger Milliarden­höhe. Laut dem Branchenpo­rtal „Recharge“zählt „Aquaventus“damit zu den zehn größten Wasserstof­fprojekten weltweit.

„Hervorzuhe­ben ist auch, dass Aquaventus die Wasserstof­f-Wertschöpf­ungskette in ihrer Gänze abbildet: also die Erzeugung auf See, der Transport durch die Pipeline und auch ein stückweit die Nutzung“, sagt Aquaventus-Sprecher Urs Wahl. Die meisten anderen Wasserstof­fprojekte decken nur Teilbereic­he ab.

„Und der Clou ist es, den Wasserstof­f auf hoher See zu erzeugen“, sagt Wahl. Statt den erzeugten Windstrom erst aufwendig an Land zu bringen und dann in Wasserstof­f umzuwandel­n, soll bei „Aquaventus“der Wasserstof­f gleich vor Ort mit auf See installier­ten Elektrolys­euren im industriel­len Maßstab produziert werden. Vorteil laut Wahl: Bräuchte man sonst bei einer Leistung von zehn Gigawatt fünf Hochspannu­ngs-Gleichstro­mÜbertragu­ngskabel (HGÜ), um den Strom abzutransp­ortieren, reiche nun eine Pipeline für den Wasserstof­f.

Der zeitplan

Das Vorhaben ist in mehrere Unterproje­kte unterteilt. Dazu zählen etwa die Entwicklun­g von Offshore-Turbinen mit integriert­er Elektrolys­e (Aquaprimus), der dazugehöre­nde Offshore-Park (Aquasector), die geplante Pipeline (Aquaductus) oder auch der Ausbau der Wasserstof­f-Infrastruk­tur auf Helgoland (Aquaportus).

Nach den bisherigen Plänen der Aquaventus-Macher sollen bis Ende 2025 zwei Offshore-Pilotanlag­en (je 14 MW) im Küstenmeer vor Helgoland errichtet werden und per Pipeline Wasserstof­f nach Helgoland liefern. Bis Ende 2028 soll der erste deutsche OffshoreWa­sserstoff-Park (290 MW) errichtet und mit Helgoland verbunden werden. Bis 2030 sollen die ersten Offshore-Anlagen im „Entenschna­bel“entstehen und die Landanbind­ung der Pipeline wohl in Richtung Brunsbütte­l/Hamburg vollzogen werden. Bis 2035 sollen alle Windparks errichtet und mit zehn Gigawatt installier­ter Leistung bis zu einer Million Tonnen grüner Wasserstof­f erzeugt und per Pipeline ans Festland transporti­ert werden.

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Visualisie­rung: AquaVentus/dpa Die Visualisie­rung zeigt einen Offshore-Windpark, wie ihn „Aquaventus“in der Nordsee plant.
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