„Weggespült, was ich mein Leben nannte“
Bei Gottesdienst in Aachen gedachten Politiker, Betroffene und Helfer der Opfer
Schauspieler Jürgen Tarrach (60, „Der Lissabon-Krimi“) pflegt seine persönlichen Beziehungen. „Ich habe Freunde, die mich ein Leben lang begleitet haben, im Wesentlichen drei Pärchen. Wir haben zusammen Abitur gemacht, zur ähnlichen Zeit Kinder bekommen, sind zusammen gereist und rufen uns immer wieder an“, sagte Tarrach. Mittlerweile hätten sich die Gesprächsthemen allerdings etwas geändert, erklärte der TVStar und Grimme-Preisträger spürbar amüsiert. „Heute heißt es schon mal, welches Zipperlein hast du jetzt, welche Tablette kannst du weglassen. Dazu kommt der bedauerliche Haarausfall bei uns Männern.“Als Mitglied einer Clique, die es seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt, ist Tarrach an diesem Montag um 20.15 Uhr im ZDF-Spielfilm „Um die 50“zu sehen.
Aus Sicht der evangelischen Theologin Margot Käßmann sind die Paralympics ein Zeichen der Hoffnung. „Auch mit einer Behinderung kannst du deinen Körper trainieren, kannst du Erfolg haben, am Leben teilhaben. Es geht um Menschenwürde und Menschenrechte“, schreibt Käßmann in der „Bild am Sonntag“. Sie habe „allerhöchsten Respekt“vor Menschen, die mit einer Behinderung lebten. Die Paralympics trügen dazu bei, sich bewusst zu machen, dass alle Menschen eine Begabung hätten.
Aachen – „Der Ahr-Psalm haut einen von den Füßen!“Zwei Stunden vor Beginn des Gedenkgottesdienstes im Aachener Dom macht diese „Warnung“bereits die Runde unter den wartenden Helfern und Organisatoren. Der Ahr-Psalm. Verfasst von Stephan Wahl, einem katholischen Priester, der in dem vom Hochwasser verwüsteten Kreis Ahrweiler aufgewachsen ist und in Sinzig einen Verwandten verloren hat.
Fluten ohne Erbarmen
Als die Verse später vorgetragen werden, ist die Erschütterung greifbar. Der Psalm ist ein Klagelied, das an die Reden des leidgeprüften Hiob aus der Bibel erinnert. Er beschreibt die Nacht zum 15. Juli, als die Flutkatastrophe über Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hereinbrach. „Der Bach, den ich von Kind an liebte, sein plätscherndes Rauschen war wie Musik, zum todbringenden Ungeheuer wurde er, seine gefräßigen Fluten verschlangen ohne Erbarmen. Alles wurde mir genommen. Alles! Weggespült das, was ich mein Leben nannte.“
180 Menschen sind an diesem Samstagvormittag im Aachener Dom versammelt. In der ersten Reihe sitzen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dahinter die Ministerpräsidenten der beiden getroffenen Bundesländer, Malu Dreyer und Armin Laschet. Vertreter der nahen Benelux-Länder sind ebenfalls dabei, denn auch bei ihnen wurden Landschaften verwüstet.
95 der 180 Anwesenden sind Betroffene. Menschen, die Familienmitglieder verloren haben, deren Häuser nicht
Beim ökumenischen Gedenkgottesdienst im Aachener Dom kamen bei den Betroffenen die schrecklichen Erinnerungen an die Nacht der Flutkatastrophe wieder hoch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, links), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD besuchten den Gottesdienst.
mehr stehen, deren Existenz vernichtet wurde. Und Helfer, die sich unermüdlich eingesetzt haben.
Folgen des Klimawandels
Renate Steffes spricht als Betroffene über die Nacht zum 15. Juli. „Diese Nacht soll eigentlich für mich abgelegt sein – in einer verschlossenen Schublade. Fest verschlossen.
Zu! Doch die Schublade mit den belastenden Erfahrungen öffnet sich täglich neu.“Der evangelische Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff erzählt, wie seine Frau in der Nacht bis zu den Knien im Wasser im Pfarrhaus in Schleiden-Gemünd stand. Als einzige Lichtquelle hatte sie eine Kerze, die er nun mitgebracht hat.
Wie geht es weiter? „Die Folgen des menschengemachten
Eine Kerze als einzige Lichtquelle: Hans-Peter Bruckhoff erzählte, wie er die Katastrophe erlebte.
Klimawandels sind bei uns angekommen“, stellt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, fest. „Vielleicht werden Menschen in 20 Jahren zurückschauen auf diese Tage und im Rückblick sagen: Die Dramatik dessen, was damals passiert ist, die Abgründe an Leid haben unser Land zum Nachdenken gebracht.“Einen Lichtblick sehen
aber alle: die große Hilfsbereitschaft. Bundespräsident Steinmeier erinnert an die vielen Freiwilligen, die jedes Wochenende zum Helfen in die Katastrophengebiete gefahren sind. Auch in Zukunft werde man die Betroffenen nicht vergessen, verspricht er: „Als Bundespräsident möchte ich Ihnen versichern: Sie sind nicht allein! Wir hören Sie! Wir vergessen Sie nicht!“