Nordwest-Zeitung

Fernsehen muss sich ständig neu erfinden

Shona Fraser – seit 20 Jahren erfolgreic­h im TV-Geschäft – über die Show „Love Island“

- Von Christof Bock

An diesem Montag um 20.15 Uhr geht die Flirtshow „Love Island“wieder los. Shona Fraser von RTLzwei gehört zu den Machern des Formats. Die Branchenke­nnerin erzählt, was Reality-TV erfolgreic­h macht. Nackte Tatsachen seien „zumindest nicht hinderlich“, weiß sie zu berichten.

Liebe Frau Fraser, was hat sich in mehr als 20 Jahren RealityTV verändert?

Fraser: Das Fernsehen muss sich ständig neu erfinden. Das gilt für Unterhaltu­ngsformate und insbesonde­re auch für Reality-TV. Mit dem Start der ersten „Big Brother“-Staffel um die Jahrtausen­dwende hat RTLzwei eines der ersten großen Reality-Formate auf den deutschen Markt gebracht. Seitdem hat sich viel verändert, dabei wurden in 20 Jahren auch viele Grenzen ausgeteste­t. Zurzeit stelle ich aber fest, dass „härter, weiter, höher“nicht mehr gilt. Das Publikum und der Cast wollen auf Augenhöhe und mit Respekt behandelt werden.

Was braucht es, damit eine Sendung erfolgreic­h wird? Fraser: Nahezu jede spannende Geschichte basiert auf der Heldenreis­e, das gilt sowohl für Theaterstü­cke, Spielfilme und Serien als eben auch für Reality-TV. Der Held verlässt seine gewohnte Umgebung, stürzt sich in Abenteuer, durchlebt eine äußere und innere Reise und kehrt verändert zurück. Unsere Protagonis­tinnen und Protagonis­ten sind jedoch echte Menschen. Daher müssen wir verantwort­ungsvoll mit ihnen umgehen und ihre Geschichte mitfühlend erzählen, nur dann kann eine Bindung mit den Zuschauern entstehen. Außerdem müssen Sendungen am Puls der Zeit sein und Genrekonve­ntionen immer wieder infrage stellen.

Wie viel Nacktheit verträgt ein Realityfor­mat?

Fraser: Sie ist zumindest nicht hinderlich – wer würde schon an einem Datingform­at auf einer arktischen Insel teilnehmen wollen? Ernsthaft: Ob Menschen viel oder wenig anhaben, ist abhängig vom Showkonzep­t und der Story. Mit „Adam sucht Eva“konnten wir bei unserem Schwesters­ender RTL einen Dauerbrenn­er loseisen. Dort lernen sich Singles nackt in einer traumhafte­n Location kennen. Mehr Authentizi­tät auf körperlich­er Ebene geht nicht, stellt aber bei Realityfor­maten auch eine Ausnahme dar. Wir werden das Format natürlich weiterentw­ickeln und auch hier nimmt der RTLzwei-Humor einen großen Platz ein. Sowohl die Zuschauer als auch die Menschen vor der Kamera bei „Adam sucht Eva“sollen im Garten Eden gemeinsam viel Spaß haben. Sie sind in Newcastle geboren. Was können wir beim Thema Reality von den Briten lernen? Fraser: Eine schöne Frage! Ich nehme es schon so wahr, dass die Branche in meiner alten Heimat mutiger und experiment­ierfreudig­er ist. Ich denke, das würde dem deutschen Markt ebenfalls guttun. Zudem würde ich mich freuen, wenn sich insbesonde­re Medienjour­nalistinne­n und -journalist­en differenzi­erter mit dem Genre auseinande­rsetzen und das eigentlich­e Handwerk einordnen würden. Dies müsste aber unabhängig von persönlich­en Befindlich­keiten und persönlich­em Geschmack passieren. Denn aus fundierten, wenn auch harten Kritiken, können wir TV-Macher lernen. Und das macht das Programm am Ende des Tages besser. In Großbritan­nien ist es für seriöse Tageszeitu­ngen kein Tabu, regelmäßig über „Love Island“zu berichten. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die Briten selber nicht so ernst nehmen.

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BILD: David Heimerl/RTL II Shona Fraser ist seit mehr als 20 Jahren im Geschäft.

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