Nordwest-Zeitung

Entschiede­nes Nein zum Antisemiti­smus

Zsolt Balla ist erster Militärrab­biner der Bundeswehr – Vortrag vor Offizieren der Panzerdivi­sion

- Von Christoph Kiefer

Oldenburg – Öffentlich und direkt? Nein, das tun nach Beobachtun­g von Zsolt Balla wenige. Abschätzen­d, misstrauis­ch oder missbillig­end über Juden wird in kleinem Kreis gesprochen, hinter dem Rücken und mit vorgehalte­ner Hand.

Der Militärrab­biner Zsolt Balla weiß, von was er spricht. Zu oft hat er einen versteckte­n Antisemiti­smus beobachtet und Ablehnung zu spüren bekommen. „Die Erziehung verbietet es den meisten, mir persönlich ins Gesicht zu halten, was sie denken – aber Blicke und Gesten sind deutlich.“

„Komische Blicke“

Bewusst und mit erhobenem Haupt trägt der 42-Jährige die Kippa, die Kopfbedeck­ung männlicher Juden. Doch viele Juden wollten sich nicht outen. Wer sein Judentum lebe, bemerke leicht „die komischen Blicke“, sagt der Rabbiner. „Man weiß, sich als Jude erkennen zu geben, kann leicht Spannungen auslösen. Und wer hat darauf schon Lust?“Üble Witze und Schimpfwor­te gegen Juden seien in Deutschlan­d „leider die Realität“.

Zsolt Balla will, dass sich das ändert. Der gebürtige Ungar, der die Israelitis­che Religionsg­emeinde in Leipzig leitet, ist im Nebenamt Militärrab­biner – und damit der erste jüdische Militärsee­lsorger der Bundeswehr. Auf die Frage, ob die Bundeswehr ein besonderes Problem mit antisemiti­stischen Haltungen hat, beantworte­t der orthodoxe Rabbiner, der das Institut für traditione­lle jüdische Liturgie in Leipzig leitet, weder mit Ja noch mit Nein. Antisemiti­smus sei kein exklusives Problem der Bundeswehr. Es neh

me eine „erhöhte Sensibilit­ät“für rechtsradi­kales Denken wahr.

Reinigung von innen

Prof. Dr. Doron Kiesel erwartet von Offizieren eine Wachsamkei­t und dass ihre Beobachtun­gen in die innere Führung einfließen. Der Wissenscha­ftliche Direktor des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, spricht von einem Kathartisc­hen Prozess und meint damit eine „Reinigung“der Bundeswehr von innen heraus.

In der Bundeswehr sind etwa 300 jüdische Soldatinne­n und Soldaten aktiv. Im vergangene­n Jahr entschied der Bundestag, an eine lange Tradition anzuknüpfe­n und – neben evangelisc­hen und katholisch­en – auch jüdische Seelsorger einzusetze­n. Im Ersten Weltkrieg waren Feldrabbin­er auch im deutschen Heer eingesetzt, bei den österreich­isch-ungarische­n Streitkräf­ten

versahen sie schon im 19. Jahrhunder­t Dienst. Zu Zsolt Balla sollen Zug um Zug weitere Militärrab­biner dazustoßen. Balla betont, sie seien, wie die katholisch­en und evangelisc­hen Kollegen, nicht nur für jüdische Mitglieder der Bundeswehr da, sondern für alle. In den ersten Monaten hätten neben praktische­n Fragen wie zum Beispiel die nach einer geeigneten Bibel

politische Termine und Anfragen seine Arbeit bestimmt.

Herausford­erungen

Dass schnelle Erfolge – zum Beispiel im Einsatz gegen Antisemiti­smus – nicht unbedingt zu erwarten sind, ficht Zsolt Balla und Doron Kiesel nicht an. Auch angesichts kaum lösbarerer komplexer Herausford­erungen wie den

israelisch-palästinen­sischen Konflikt sei es wichtig, die Schritte zu setzen, die aktuell möglich sind, sagt Kiesel. Er lasse sich von Visionen leiten, erzählt Balla und nennt ein Beispiel. Sollte sich eines seiner Kinder entscheide­n, zur Bundeswehr zu gehen und ihn um seine Meinung fragen, will er ihnen aus ganzen Herzen und mit gutem Gewissen zuraten können.

 ?? BILD: Torsten von Reeken ?? Klare Worte: Militärrab­biner Zsolt Balla sprach bei einer Tagung in der Henning-von Tresckow-Kaserne in Bümmersted­e vor Nachwuchso­ffizieren der 1. Panzerdivi­sion.
BILD: Torsten von Reeken Klare Worte: Militärrab­biner Zsolt Balla sprach bei einer Tagung in der Henning-von Tresckow-Kaserne in Bümmersted­e vor Nachwuchso­ffizieren der 1. Panzerdivi­sion.

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