Entschiedenes Nein zum Antisemitismus
Zsolt Balla ist erster Militärrabbiner der Bundeswehr – Vortrag vor Offizieren der Panzerdivision
Oldenburg – Öffentlich und direkt? Nein, das tun nach Beobachtung von Zsolt Balla wenige. Abschätzend, misstrauisch oder missbilligend über Juden wird in kleinem Kreis gesprochen, hinter dem Rücken und mit vorgehaltener Hand.
Der Militärrabbiner Zsolt Balla weiß, von was er spricht. Zu oft hat er einen versteckten Antisemitismus beobachtet und Ablehnung zu spüren bekommen. „Die Erziehung verbietet es den meisten, mir persönlich ins Gesicht zu halten, was sie denken – aber Blicke und Gesten sind deutlich.“
„Komische Blicke“
Bewusst und mit erhobenem Haupt trägt der 42-Jährige die Kippa, die Kopfbedeckung männlicher Juden. Doch viele Juden wollten sich nicht outen. Wer sein Judentum lebe, bemerke leicht „die komischen Blicke“, sagt der Rabbiner. „Man weiß, sich als Jude erkennen zu geben, kann leicht Spannungen auslösen. Und wer hat darauf schon Lust?“Üble Witze und Schimpfworte gegen Juden seien in Deutschland „leider die Realität“.
Zsolt Balla will, dass sich das ändert. Der gebürtige Ungar, der die Israelitische Religionsgemeinde in Leipzig leitet, ist im Nebenamt Militärrabbiner – und damit der erste jüdische Militärseelsorger der Bundeswehr. Auf die Frage, ob die Bundeswehr ein besonderes Problem mit antisemitistischen Haltungen hat, beantwortet der orthodoxe Rabbiner, der das Institut für traditionelle jüdische Liturgie in Leipzig leitet, weder mit Ja noch mit Nein. Antisemitismus sei kein exklusives Problem der Bundeswehr. Es neh
me eine „erhöhte Sensibilität“für rechtsradikales Denken wahr.
Reinigung von innen
Prof. Dr. Doron Kiesel erwartet von Offizieren eine Wachsamkeit und dass ihre Beobachtungen in die innere Führung einfließen. Der Wissenschaftliche Direktor des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht von einem Kathartischen Prozess und meint damit eine „Reinigung“der Bundeswehr von innen heraus.
In der Bundeswehr sind etwa 300 jüdische Soldatinnen und Soldaten aktiv. Im vergangenen Jahr entschied der Bundestag, an eine lange Tradition anzuknüpfen und – neben evangelischen und katholischen – auch jüdische Seelsorger einzusetzen. Im Ersten Weltkrieg waren Feldrabbiner auch im deutschen Heer eingesetzt, bei den österreichisch-ungarischen Streitkräften
versahen sie schon im 19. Jahrhundert Dienst. Zu Zsolt Balla sollen Zug um Zug weitere Militärrabbiner dazustoßen. Balla betont, sie seien, wie die katholischen und evangelischen Kollegen, nicht nur für jüdische Mitglieder der Bundeswehr da, sondern für alle. In den ersten Monaten hätten neben praktischen Fragen wie zum Beispiel die nach einer geeigneten Bibel
politische Termine und Anfragen seine Arbeit bestimmt.
Herausforderungen
Dass schnelle Erfolge – zum Beispiel im Einsatz gegen Antisemitismus – nicht unbedingt zu erwarten sind, ficht Zsolt Balla und Doron Kiesel nicht an. Auch angesichts kaum lösbarerer komplexer Herausforderungen wie den
israelisch-palästinensischen Konflikt sei es wichtig, die Schritte zu setzen, die aktuell möglich sind, sagt Kiesel. Er lasse sich von Visionen leiten, erzählt Balla und nennt ein Beispiel. Sollte sich eines seiner Kinder entscheiden, zur Bundeswehr zu gehen und ihn um seine Meinung fragen, will er ihnen aus ganzen Herzen und mit gutem Gewissen zuraten können.