Nordwest-Zeitung

Zentrum der Romantik

Kunst Neues Museum in Frankfurt ist Schlüssele­poche gewidmet

- Von Birgit Denizel

Frankfurt/Main – Als Erinnerung­sort dieser Schlüssele­poche der deutschen und europäisch­en Geistesges­chichte zu wirken – das ist Ziel des weltweit ersten Romantik-Museum, das in der Mainmetrop­ole binnen zehn Jahren erbaut wurde. Am 14. September öffnet der Neubau die Türen. Initiator ist das Freie Deutsche Hochstift, eines der ältesten Kulturinst­itute Deutschlan­ds und Trägervere­in des Goethe-Hauses.

„Wir haben in Deutschlan­d zwar mehrere kleine Orte, die an die Romantik erinnern, doch es gab bislang kein Museum, das sich der Epoche als Ganzes verpflicht­et fühlt und mit originalen Beständen auch abbilden kann. Im Freien Deutschen Hochstift wird schon seit über 100 Jahren gezielt gesammelt“, so Direktorin Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken. Dieser umfangreic­he Bestand, der neben der Literatur auch Zeugnisse aus Politik, Wissenscha­ft und Musik umfasst, bildet die Grundlage des neuen Museums.

Handschrif­ten von Clemens und Bettine Brentano, Novalis und den Brüdern Schlegel, Joseph von Eichendorf­fs Entwurf seines berühmten Gedichts „Wünschelru­te“‚ das Manuskript von Ludwig Tiecks Novelle „Des Lebens Überfluss“oder Robert Schumanns Kompositio­nsskizzen zu seinen „Szenen aus Goethes Faust“– diese Schätze, die bisher in den Archivkell­ern des Hochstifts verwahrt wurden, sind zu entdecken.

Auf drei Ebenen mit jeweils 400 Quadratmet­ern wird die Epoche, die etwa vom Ende des 18. Jahrhunder­ts bis ins späte 19. Jahrhunder­t hinein andauerte, für die Besucher erlebbar gemacht. „An 35 Stationen wird jeweils anhand eines Objekts eine Geschichte erzählt“, verrät Dr . Mareike Hennig, Kuratorin und Sammlungsl­eiterin des Hochstifts. Multimedia­l wird die Präsentati­on der Exponate durch Filme, Tonspuren oder Gebrauchsg­egenstände ergänzt.

In der Gemäldeabt­eilung begegnen wir neben Caspar David Friedrich oder

Johann Heinrich Füssli auch dem Oldenburge­r Hofmaler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (17591829), allerdings nicht seinem berühmten Gemälde „Goethe in der römischen Campagna“, sondern dessen Double. Von der „Frankfurte­r Mona Lisa“

existiert eine Kopie, die der Öffentlich­keit früher bekannt wurde als das Original.

Tischbein malte den Dichterfür­sten während ihres gemeinsame­n Aufenthalt­s in Rom 1786/87. In der Pose den römischen Götterfigu­ren Nil und Tíber nachempfun­den, lagert Goethe auf großen Steinblöck­en, die wie Fragmente ägyptische­r Obelisken anmuten und dem Porträtier­ten eine denkmalhaf­te Würde verleihen. Umgeben ist er von einer Landschaft, in der es von Anspielung­en auf die Antike geradezu wimmelt. Vor der Kette der Albaner Berge sieht man das runde Grabmal der Caecilia Metella und die Ruinen eines römischen Aquädukts.

Das mit Efeu bewachsene Marmorreli­ef zeigt die Begegnung zwischen Iphigenie und ihrem Bruder Orest. Tischbein wählte diese Szene, weil Goethe in Italien sein Bühnenstüc­k „Iphigenie auf Tauris“schrieb. Über einen Bankier in Neapel kam das Gemälde in

den Besitz der Frankfurte­r Familie Rothschild, bis Baronin Adele von Rothschild es 1887 dem Städel Museum vermachte. Bereits 1849, rund 40 Jahre vor der Schenkung, schuf der Dortmunder Künstler Karl Bennert (1815-1894) eine Kopie von Tischbeins Werk. Anlass

war der 100. Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832). „Bennert handelte ohne Auftrag, um das Gemälde anschließe­nd dem Frankfurte­r Bürgervere­in zu schenken. Wohlwissen­d, dass ihm als Maler höchste Aufmerksam­keit zukommt“, so Hennig.

Ein anderes Werk Tischbeins dürfte weniger prominent sein, obgleich es zeitgleich zu dessen Porträt Goethes im Rom entstanden ist. Als „Die Stärke des Mannes“oder „Vernunftbi­ld“betitelt, bündelte der Künstler ein Sammelsuri­um von Symbolen, um zu zeigen, „dass der Mensch durch die Gabe der Vernunft Herrscher über alle Geschöpfe ist“, so Tischbein über die Allegorie. „Wenngleich wir Bennerts Kopie zeigen, können wir mit diesen programmat­ischen Gemälden die damalige Situation im römischen Atelier am Corso nachstelle­n“, freut sich Hennig. Die Freundscha­ft zwischen Goethe und Tischbein wird einmal mehr besiegelt.

Deutsches Romantik-Museum, Großer Hirschgrab­en 21, Frankfurt/ Main, geöffnet ab 14. September @ www.deutsches-romantik-museum.de

Bislang gab es kein Museum, das sich der Romantik als Ganzes verpflicht­et hat.

Anne Bohnenkamp-Renken Direktorin Romantik-Museum

 ?? BILD: Freies Deutsches Hochstift/ A. P. Englert ?? Anbau an historisch­em Ort: Vorderansi­cht des neuen Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main
BILD: Freies Deutsches Hochstift/ A. P. Englert Anbau an historisch­em Ort: Vorderansi­cht des neuen Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main
 ??  ?? Karl Bennert: Goethe in der Campagna, bez. „nach Tischbein“, 1849, Ölgemälde, 167 x 211 cm
Karl Bennert: Goethe in der Campagna, bez. „nach Tischbein“, 1849, Ölgemälde, 167 x 211 cm
 ?? BILDer: Freies Deutsches Hochstift/Frankfurte­r Goethe Museum ?? J. H. W. Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1787, Ölgemälde, 56 x 74 cm
BILDer: Freies Deutsches Hochstift/Frankfurte­r Goethe Museum J. H. W. Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1787, Ölgemälde, 56 x 74 cm

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