„Merkel-Nachfolger braucht Mut“
Manfred Weber über die Bundeskanzlerin, Afghanistan und Karrierepläne
Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), spricht über die Zukunft Europas nach dem Ende der Ära Angela Merkel, die Lehren aus Afghanistan und über mögliche Karrierepläne.
Herr Weber, nach der Bundestagswahl im Herbst beginnt eine neue Ära ohne Angela Merkel. Was ist ihr Erbe auf europäischer Ebene? Weber: Sie hat Deutschland, aber auch Europa durch fundamentalste Krisen geführt. Die Eurokrise hätte fast den Abgrund dargestellt für unsere Währung und die EU. Dann gab es natürlich die Migrationsherausforderungen und jetzt Corona. Sie hat hervorragendes Krisenmanagement bewiesen. Wenn man beschreibt, was von Angela Merkel bleibt, wird man sich daran erinnern, dass sie die Interessen von allen ernst nimmt, dass sie analysiert und dann auf Faktenbasis zusammenführt. Sie ist eine Managerin im Hintergrund. Diese Art Politik zu machen, also nicht die Schlagzeile zu suchen, sondern verlässlich Brücken zu bauen, macht ihre Ära aus und hat Europa in den letzten 16 Jahren gut getan. vorgeworfen, Probleme aufzuschieben und Krisen auszusitzen. Dagegen wird sie in Europa und vielen Teilen der Welt als starke und durchsetzungswillige Führungsfigur betrachtet. Wie passt das zusammen? Weber: Wenn man sich die Umfragen anschaut und mit den Bürgern spricht, dann schätzt die Mehrheit in Deutschland ihre Art ebenfalls sehr – und das nach so langer Zeit als Kanzlerin. Auf der anderen Seite treten wir jetzt in eine neue Phase ein. Wir hatten 16 Jahre, in denen die Stabilität gewährleistet wurde und oftmals das Krisenmanagement im Mittelpunkt stand. Wir kommen aber nun in eine Phase, in der wieder mehr politische Führung gefragt ist. Wir haben Corona erlebt, wir sehen die Bilder in Afghanistan und was das geopolitisch bedeutet. Und es gibt die große Thematik China. In welcher Welt wer den wir morgen leben? Welche Werte werden eine Rolle spielen? Nichts ist sicher. Weder Wohlstand noch das europäische Lebensmodell ist automatisch gewährleistet. Die Zeit Angela Merkel war gut. Aber wir brauchen jetzt jemanden im Kanzleramt, der vorangehen will, beispielsweise gemeinsam mit Emmanuel Macron. Armin Laschet als überzeugter Europäer will das. Damit steht er europapolitisch eher in der Tradition von Helmut Kohl und Konrad Adenauer und vielleicht ein bisschen weniger in der von Angela Merkel.
Was braucht es von Merkels Nachfolgerin oder Nachfolger? Weber: Vor allem Mut und den Willen, Themen jetzt anzupacken. Das Wichtigste ist eindeutig die Außen- und Sicherheitspolitik. Europa muss selbstbewusst und eigenständig auftreten können. Wenn wir als Europäer nicht in der Lage sind, zumindest temporär den Kabuler Flughafen zu sichern, zeigt das die ganze Tragik unserer fehlenden Fähigkeiten. Die müssen wir aufbauen. Wir brauchen eine eigenständige Eingreiftruppe. Beim Cyberkrieg, also bei den modernen Formen von Verteidigung, wäre es eine Frage der Effizienz, dass wir die besten Programmierer an einen Tisch setzen, die unser Internet verteidigen sollen. Das zweite Thema ist: Wenn wir endlich das politische Gewicht dieses starken Kontinents Europa, des wirtschaftsstärksten Raums der Welt, auf die Waagschale bringen wollen, dann müssen wir die Einstimmigkeit in der Außenpolitik abschaffen. Das ist mit dem heutigen Vertrag möglich. Deshalb geht es jetzt um Führung, ums Machen.
Sie kündigten vor einigen Wochen an, im September über Ihre weiteren Pläne zu entscheiden. Jetzt haben wir September. Wollen Sie uns Ihre Entscheidung mitteilen? Weber: Zunächst hat die EVPFraktion einen Führungsanspruch und wir werden auf jeden Fall einen starken Kandidaten für das Amt des Präsidenten des Europäischen Parlamentes für die Wahlen im Januar vorschlagen. Das war die Vereinbarung zwischen den großen Parlamentsfraktionen und den Staats- und Regierungschefs 2019 und darauf pochen wir. In Deutschland wird Merkel oft