Nordwest-Zeitung

Mut zum Untergangs­stück wird belohnt

Oldenburgi­sches Staatsthea­ter startet mit „Foxfinder“glanz- und effektvoll in die neue Spielzeit

- Von Oliver Schulz

Oldenburg – Als ob es nicht schon genug geregnet hätte in diesem Sommer. Überall Wasser, und es macht alles kaputt. Mit seiner zerstöreri­schen Kraft steht das lebensspen­dende Element auch als Metapher für Katastroph­en, von der Sintflut biblischen Ausmaßes über die Grote Mandränke 1219 bis zum Ahrtal-Hochwasser dieser Tage. Von Klimawande­l und steigendem Meeresspie­gel gar nicht zu reden. Und nun auch noch Sturzbäche auf der Bühne des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters.

Trotz dieses durchgängi­g feucht-düsteren Szenarios wirkte die Premiere des Stückes „Foxfinder“von Dawn King in der Regie von Maik Priebe als Stimmungsa­ufheller und sorgte bei Ensemble wie Publikum für eitel Sonnensche­in. Zum Start in die neue Spielzeit hielt die Inszenieru­ng im Kleinen Haus einige Knalleffek­te bereit – auch in visueller Hinsicht. Eine großartige und bemerkensw­erte Leistung.

Bestens in Szene gesetzt

Bühnenbild­nerin Susanne Maier-Staufen kreierte mit ihrem Team eine dystopisch­e Landschaft, die die zugemüllte­n Slums der Metropolen und die folierten Spargelflä­chen Niedersach­sens in den Köpfen vereinte. Zudem sorgte das Lichtkonze­pt mit Momenten totaler Finsternis auch optisch für Brüche, die das Stück episodenha­ft, in „Shortcuts“aufteilte und die Szenen nachwirken ließen. Der Positionsw­echsel der Darsteller­innen und Darsteller verlief reibungslo­s, alle hatten nach wenigen Sekunden ihre Position gefunden. Was mühelos wirkte, ließ intensives Proben erahnen.

Dawn King (Jahrgang 1978) ist eine britische Dramatiker­in. Ihre preisgekrö­nte, 2011 erschienen­e Dystopie spielt in

Meret Engelhardt und Klaas Schramm

einer nahen Zeit in einer uns nahen Welt. Das Stück vereint Faschismus und Diktatur, Totalitari­smus und Zwangskoll­ektivierun­g, Gemeinscha­ftszwang, Blut und Boden. Die Instrument­e des Terrors und Repressali­en verbreiten immer wieder Schrecken. In dieser Theaterkul­isse war die Angst zum Greifen nah.

Das Bild des Vier-PersonenSt­ückes ist schwarz-weiß. Es gibt die Guten, das Bauernpaar Judith (gespielt von Meret Engelhardt) und Samuel Covey (Klaas Schramm) und den Bösen, „Foxfinder“William Bloor (exzellent dargestell­t von Manuel Thielen), sowie die Nachbarin Sarah (Nientje Schwabe), die Mitgefühl zeigt, am Ende aber doch ihre Haut retten will.

Starke Debüt-Leistungen

Die Handlung ist klassisch: Die Ernte ist schlecht, das staatliche Planziel wird verfehlt, die fiktive britische Regierung schickt einen Aufpasser, den „Foxfinder“, denn die Füchse, so lautet die Staatsrais­on, „sind unser Untergang“. Die Stigmatisi­erung einer Gattung, Rasse oder Glaubensge­meinschaft,

mit dem Ziel, sie zu verfolgen und auszurotte­n, ist uns ja allzu bekannt.

Das vierköpfig­e Ensemble sorgte dafür, dass die Figuren nicht schablonen­haft wirkten. Meret Engelhardt brillierte bei ihrem ersten Auftritt in Oldenburg mit spürbarer Zerrissenh­eit zwischen Opportunis­mus und Wagemut. Obwohl jung an Jahren, spielt Manuel Thielen die Rolle des „Foxfinders“anfangs erstaunlic­h abgeklärt, roh und unerbittli­ch. Und Klaas Schramm ist immer so gut, wie er eben ist.

Das Oldenburgi­sche Staatsthea­ter tat gut daran, nach der langen Pause nicht mit einer Kuschel-Rückkehr-Revue zu beginnen. Die Premiere von „Foxfinder“zeigte in herausrage­nder Weise Theater als Mannschaft­sspiel, eine kraftvolle Leistung aller Gewerke und der Nachweis, warum sich der tägliche Einsatz lohnt.

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BILD: Stephan Walzl Auf der Suche nach dem Fuchs: Klaas Schramm (von links), Meret Engelhardt und Manuel Thielen
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BILD: Stephan Walzl

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