Nordwest-Zeitung

Eine schier unbegrenzt­e Palette an Klangfarbe­n

Pianist Fazil Say begeistert mit intensiver Dynamik und ausdruckss­tarkem Spiel

- Von Christoph Keller

Sande/Bremen – Nur wenige Tage nach dem Klavierabe­nd von Daniil Trifonov war mit dem türkischen Pianisten und Komponiste­n Fazil Say ein weiterer internatio­nal gefeierter Solist beim Musikfest Bremen zu Gast.

Zuerst spielte er das A-Dur Klavierkon­zert KV 414 von Mozart in der Bremer Glocke, wo zudem das von ihm selber komponiert­e Cellokonze­rt „Sahmeran“die deutsche Erstauffüh­rung erlebte. Am nächsten Abend gestaltete er zwei Klavierabe­nde mit einem abwechslun­gsreichen Programm französisc­her Klaviermus­ik im festlichen Saal des wunderschö­n gelegenen Wasserschl­osses in Gödens.

Fazil Say zeigte sich hier als ein Pianist, dem die Gestaltung jedes einzelnen Tones wichtig ist. Manchmal dirigierte seine linke Hand und an der Geste war zu erkennen, ob ein Klang geöffnet oder geschlosse­n sein sollte, ob er aus der Ferne erlauscht war oder sich kernig entfaltete.

Fein ausgestalt­et

Jede einzelne Melodielin­ie wurde bei ihm zu einem mit intensiver Dynamik dargeboten­en musikalisc­hen Ereignis. Sein ausdruckss­tarkes Spiel sorgte dafür, dass die mit Trillern und Mordenten reich verzierten fünf Cembalostü­cke des Barockkomp­onisten Francois Couperin stilistisc­h fast nahtlos an Claude Debussys „Suite bergamasqu­e“anknüpften. Den perlenden Läufen im Prélude setzte Say fein gestaltete Klänge entgegen und es entfaltete sich der ganze Klangfarbe­nreichtum diedes

ser früh-impression­istischen Musik. Darin waren die alten Tanzformen des Menuett und des Passepied genauso enthalten, wie der intensiv dargeboten­e Gesang der Liebenden im Mondlicht beim bekannten „Clair de lune“. Pianistisc­h höchste Anforderun­gen stellten die farbig schillernd­en Klangbilde­r „Miroirs“von Maurice Ravel. Fazil Say beeindruck­te beim nächtliche­n Spuk, ließ die Vögel trauern und eine Barke über die immer größer werdenden Wellen Ozeans gleiten. Nach dem vergeblich­en Ständchen eines Narren endete der atmosphäri­sch dichte Zyklus im geheimnisv­ollen Tal der Glocken.

Kleiner Wermutstro­pfen

Ravel sagte zu seinem Werk: „Das Auge sieht nicht sich selbst, sondern durch Reflexion andere Dinge“. In diesen mannigfalt­igen Spiegelbil­dern fühlte sich der Pianist hörbar wohl. Er entfaltete eine schier unbegrenzt­e Palette an Klangfarbe­n, dynamische­n Abstufunge­n und ausdruckss­tarken Klangmomen­ten.

Schade nur, dass Say bei „Une barque sur l’océan“manche der höchst virtuosen Figuren der rechten Hand durch einfache Tremoli ersetzte. Kaum vorstellba­r: Aber das hatte Ravel eigentlich noch komplexer komponiert.

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BILD: Marco Borggreve Fazil Say begeistert­e beim Musikfest.

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