Die Verwirrung wird immer größer
So wahrscheinlich sind aktuell einzelne Koalitionen für Grüne, Union und SPD
Berlin – Es könnte kaum interessanter sein – und für den Bürger kaum verwirrender. Nimmt man die jüngsten Meinungsumfragen der großen Institute zur Hand, dann gäbe es derzeit eine ganze Handvoll von Optionen für Regierungsbündnisse, die allesamt drei Parteien umfassen würden. Für Zweier-Koalition dagegen fehlt eine Mehrheit. Obwohl? Auch das ist noch nicht ausgemacht. Denn rein rechnerisch steht die allseits unbeliebte Möglichkeit einer Neuauflage der Großen Koalition kurz davor, den schon bunten Strauß der Optionen noch weiter anzureichern. Würde man die AfD einbeziehen, dann wäre das Bild sogar noch ein Stück unübersichtlicher. Doch mit der tut sich wohl keiner zusammen – das scheint sicher.
Viel Raum für Wunschkonzerte bleibt nach den aktuellen Umfragezahlen dennoch für keinen. Da kann SPD-Kandidat Olaf Scholz, wie gerade geschehen, äußern, dass er gern mit den Grünen zusammen regieren würde. Und die Präferenz von Union und FDP für den jeweils anderen ist seit Generationen klar: Doch das sind, zumindest momentan, Theorien ohne viel Realitätsgehalt, ohne große Chancen auf eine Mehrheit.
■ Union
Betrachtet man das schillernde Umfrage-Bild aus der Sicht der Union, sieht es besonders düster aus. Eine DeutschlandKoalition aus Schwarz/Rot/ Gelb, ein Kenia-Bündnis aus Schwarz/Rot/Grün oder Jamaika mit Union, FDP und Grünen – das waren noch vor Kurzem vorstellbare Konstellationen. Schon diese ließen so manchen überzeugten Unionisten nur begrenzt jubeln. Doch die Zeiten haben sich geändert: Diese Farb-Mischungen bleiben zwar auf dem Tisch, jedoch bei zweien davon nun unter dem Vorzeichen einer SPD-Führung mit einem Kanzler Scholz und nicht unter Unionskandidat Armin Laschet. Auf eine Junior-Partnerschaft aber sind die Schwarzen nicht eingestellt.
Es gibt im Übrigen noch zwei andere Bündnis-Möglichkeiten ohne die Union: die Ampel aus Rot/Gelb/Grün, und Rot/Grün/Rot – schlichtweg die Horrorvision aller bürgerlich-konservativen Kräfte und Parteien.
■ Grüne
Die von den Grünen zu Zeiten ihres Umfragehochs, das nun schon einige Monate und eine Serie von Fehlleistungen ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zurückliegt, erhoffte Chance, selbst eine Regierung zu führen, ist inzwischen in weite Ferne gerückt. Die ÖkoPartei hat sich inzwischen auf Rang drei eingependelt, mit deutlichem Abstand gegenüber der SPD, die Union noch im Blick. Ihre Hoffnung ist allein die Beobachtung, dass in den vergangenen Monaten die Schwankungen in den Umfragen so massiv verliefen, dass sich auch das kurzfristig ändern könnte – wenn etwa einer der anderen Kanzlerkandidaten sich einen schweren Fehler leistet. Ansonsten scheinen sie in der Rolle des Junior-Partners einzementiert – mit wem auch immer.
■ SPD
Die SPD steht dagegen nicht einmal drei Wochen vor der Bundestagswahl unerwartet komfortabel da. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kandidat Scholz der nächste deutsche Kanzler wird, ist gewachsen. Ob mit Grünen und Gelben, Schwarzen und Gelben oder Schwarzen und Grünen – sie wären immer der SeniorPartner. Selbst wenn die Große Koalition unerwartet doch noch Mehrheitschancen böte, würde das gelten. Hinzu kommt die Option Rot/Grün/ Rot, die Scholz zwar nicht will, aber doch nicht 100-prozentig ausschließt. Die Scholz-Partei hat die größte Auswahl.
■ FDP
Ungeachtet dessen – und das sollte nicht vergessen werden – steht auch die FDP mit Umfragewerten von elf bis 13 Prozent aktuell relativ gut und stabil da. Sie wäre demnach für etliche Dreier-Bündnis-Varianten unersetzlich und kann sich daher als potenzieller Kanzlermacher fühlen.
Die Chance, dass die Stimmenanteile sich noch einmal so stark verschieben, dass sich die „Traumkonstellation“eines schwarz-gelben Zweierbündnisses unter einem Unionskanzler Laschet, oder auch die weniger beliebte einer sozial-liberalen Koalition unter Scholz ergeben könnte, ist dagegen verschwindend gering.