Nordwest-Zeitung

Landvolk fordert Hilfe für Schweineha­lter

Erzeuger stecken in schwerster Krise seit Jahrzehnte­n – Kritik an „Doppelmora­l“des Handels

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover/Damme – Mit einem dramatisch­en Appell hat Niedersach­sens Landvolk-Präsident Holger Hennies die Politik aufgeforde­rt, die Schweinemä­ster und Ferkelerze­uger zu retten. Denkbar wären beispielsw­eise Steuerstun­dungen. „Wenn jetzt keine Unterstütz­ung für die Schweineha­lter kommt, brauchen wir uns in Niedersach­sen nicht weiter um Tierwohl zu kümmern“, sagte Hennies am Montag in Hannover dieser Zeitung.

Gespräch mit Ministerin

Zuvor hatte Niedersach­sens Agrarminis­terin Barbara OtteKinast (CDU) Vertreter aus Landwirtsc­haft, Handel und Verbänden zum Branchenge­spräch eingeladen. Sowohl Handel als auch Halter müssten in der derzeitige­n PreisKrise gegensteue­rn. Jeder müsse einen Beitrag zur Krisenbewä­ltigung leisten, sagte sie anschließe­nd. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis des Handels zur deutschen Produktion“, so Otte-Kinast. Als positives Beispiel nannte sie die Rewe-Gruppe. Diese habe angekündig­t, rund 95 Prozent der Produkte als „5D“auszuzeich­nen: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtun­g und Zerleder gung in Deutschlan­d.

Hennies sprach von „der „schwersten Krise für Schweinemä­ster und Ferkelerze­uger seit 30 Jahren“. Die Lage sei „akut und desaströs“. Ein Schweineha­lter mit 400 bis 500 Sauen verliere derzeit 40 000 Euro im Monat. Hennies: „Das hält keiner lange durch.“Das Landvolk erwarte ein klares Bekenntnis des Lebensmitt­eleinzelha­ndels nicht nur für Frischflei­sch, sondern auch für Verarbeitu­ngsware. Als Zeichen der Solidaritä­t wäre eine finanziell­e Unterstütz­ung des Handels für das QSSystem wichtig, so Hennies, damit Schweineha­lter die dringend erforderli­che Liquidität auf den Höfen bekommen. In Niedersach­sen gibt es den Angaben zufolge rund 5000 Betriebe mit 8,195 Millionen Schweinen. Schwerpunk­t ist der Nordwesten, vor allem das Oldenburge­r Münsterlan­d.

In Richtung Landwirte sagte Otte-Kinast: „Das Angebot ist immer noch zu groß.“Die Nachfrage sei gesunken, daher würden weniger Schweine benötigt. Die Ministerin forderte den Bund auf, die Ergebnisse sogenannte­n BorchertKo­mmission zügig umzusetzen. Die Kommission hat vorgeschla­gen, die Haltung in Stufen bis 2040 so umzubauen, dass die Tiere artgerecht gehalten werden.

Ware verscherbe­lt

Im Zuge der Corona-Krise hat sich die Situation der Branche laut Ministeriu­m extrem verschlech­tert, weil viele Veranstalt­ungen ausfallen oder Gastronome­n weniger Fleisch einkaufen. Zahlreiche Länder hätten wegen der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) Handelsbes­chränkunge­n für deutsches Schweinefl­eisch verhängt. Bis die Lage bei der ASP ausgestand­en sei, würden sich die asiatische­n Länder mit Ware aus den USA und Brasilien eindecken, fürchtet Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtsc­haftskamme­r Niedersach­sen.

Die Interessen­gemeinscha­ft der Schweineha­lter (ISN) in Damme (Kreis Vechta) wirft insbesonde­re den hiesigen Discounter­n eine „Doppelmora­l“vor. Eine Million Tonnen Fleisch werde derzeit im Jahr eingeführt und teilweise unter Preis verscherbe­lt. Die Ware werde in anderen Ländern zu miesen Sozial-, Umwelt- und Tierschutz­standards produziert.

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dpa-BILD: Gentsch In der Preis-Krise fordert das niedersäch­sische Landvolk Unterstütz­ung für die Erzeuger. Landes-Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast hat zu Gesprächen eingeladen.

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