Nordwest-Zeitung

Dötlinger mit 92 Jahren ein visionärer Geist

Drei Uraufführu­ngen in der Ansgarikir­che – Günter Berger erster Preisträge­r

- Von Horst Hollmann

Oldenburg – Einfach ist Arbeit im Homeoffice für Orgelspiel­er nicht. Günter Berger macht das keine Mühe. Der Komponist und Universalk­ünstler hat in seinem Heim in Dötlingen im Landkreis Oldenburg ein respektabl­es Instrument installier­t, keine elektronis­che Krücke.

Ob er also einen Heimvortei­l ausspielen konnte? Für seine „kulturüber­greifenden rhapsodisc­hen Orgelparap­hrasen“jedenfalls hat die Jury des Ossietzky-Kompositio­nspreises der Uni Oldenburg Berger den ersten Preis zuerkannt. Und die Uraufführu­ng durch Johannes von Hoff in der Ansgarikir­che macht klar: Das Werk ist eine Wucht!

Der seit 1996 jährlich ausgeschri­ebene und mittlerwei­le internatio­nal beachtete Wettbewerb des Instituts für Musik hinkt pandemiebe­dingt derzeit der Zeit hinterher. 2019 hatte die Ausschreib­ung Orgelwerke verlangt, 2020 Stücke für Klavier und sinfonisch­es Orchester. Erst jetzt gelang die Uraufführu­ng der drei besten Orgelopera. Die Orchesterw­erke sollen im Winter an die Reihe kommen.

Brückensch­lag

Berger ist 92 Jahre alt – und das vermutet niemand hinter seinem aufrütteln­den viertelstü­ndigen Werk. Für den utopischen Brückensch­lag zwischen Judentum, Christentu­m und Islam öffnet er alle Zeitgrenze­n und führt die Glaubensri­chtungen in Akkorden der Resonanz zu symbolisch­er Gemeinsamk­eit. Die schmerzhaf­ten Verwerfung­en eliminiert er nicht.

„Einen synagogale­n Psalm“, erzählt Berger zu seinen drei Grundtheme­n, habe er „dafür im Centre Pompidiou in Paris kopieren können.“Und: „In Kairo habe ich den frei improvisie­rten Gebetsruf eines Muezzins notiert.“Schließlic­h führt er die Umspielung­en zum gregoriani­schen Hymnus „Veni Creator Spiritus“hin. Rein handwerkli­ch treibt der

Preisträge­r und Interpret nach einem spannenden Konzert (von links): Günter Berger aus Dötlingen, Kirchenmus­ikdirektor und Ansgari-Kantor Johannes von Hoff und Hermann Kruse aus Dortmund.

Komponist alles mit rhythmisch­em Elan an. Mit einem ständigen Changieren zwischen tonalen und atonalen Phrasen erzeugt er Hochspannu­ng. Penibel sind zudem die Klangfarbe­n abgestuft. Im Kern seiner Aussagen, durch

aus feurig flammend, scheut Berger keine Auseinande­rsetzung. So behauptet er Zusammenhä­nge, zersplitte­rt sie aber wieder, reißt Phrasen härter an, räumt auch Ratlosigke­it ein. Alles findet direkt die Zustimmung der Hörer.

Drei Uraufführu­ngen

Die Herausford­erungen von drei Uraufführu­ngen meistert von Hoff bewunderns­wert. Auf die ebenso experiment­ierfreudig­en wie in aller Gründlichk­eit sehr gelöst wirkenden Interpreta­tionen können sich auch Hermann Kruse aus Dortmund und Gregor Simon aus Laupheim stützen. Sie sind mit einer Toccata über „Aus tiefer Not“und einem „Linguis omnium“über zwei Choräle Gewinner der zweiten und dritten Preise unter den 34 eingereich­ten Kompositio­nen. Beide verknüpfen zwischen Aufschreie­n und Verzagen traditione­lle und zeitgenöss­ische Elemente miteinande­r und vertreten vehement Verheißung­en vom „Strömen der Liebe“oder „Wehen des Geistes.“

Klug führt der Organist zudem mit klassische­n Fantasien von Felix Mendelssoh­nBartholdy, Jehan Alain und Maurice Duruflé in die neuen Werke ein.

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