Das Triell oder Apocalypse Now
In die zurückliegenden zwei Wochen fiel neben zahlreichen unangenehmen Meldungen zu Corona und Afghanistan das sogenannte Triell, ein fernsehgerechtes Duell zu dritt der Kanzlerkandidaten und -kandidatin, leider im Privatsender RTL. Das eigentlich attraktive Format wurde deutlich beeinträchtigt durch die schwachen Fragen der Moderatoren Pinar Atalay (früher mal „Tagesthemen“) und Peter Kloeppel und durch die flache Boulevard-Aufbereitung mit Frauke Ludowig im Anschluss des Triells mit den „Haltungsnoten“für die Kandidaten: Armin Laschet sei erstaunlich aggressiv gewesen, Olaf Scholz sehr staatstragend und Annalena Baerbock immerhin sachlich am besten. Erste Umfragen sahen Scholz vorn (Forsa), die FAZ dagegen Laschet als Sieger (FAZ.Net). Nun ja, auf solche Ergebnisse verlasse ich mich lieber nicht seit den Vorhersage-Debakeln von Forsa, dimap, Allensbach & Co bei vergangenen Wahlen.
Kollektiver Verdrängungsprozess
Bezeichnend ist jedoch schon, dass Laschets stärkster Auftritt sein Beitrag zu Rot/Grün/Rot gewesen sein soll, weil Olaf Scholz das nicht klar genug als Koalitionsmöglichkeit ausgeschlossen habe. Man sitzt kopfschüttelnd vor der Glotze und traut seinen Augen (und Ohren) nicht, dass ein CDU-Kanzlerkandidat sich in dieser Frage richtig ereifert (so kennt man ihn ja gar nicht): „Das ist doch ganz einfach! Sagen Sie, Sie schließen das aus, sagen Sie das jetzt!“Und das Journalistenvolk ist begeistert von so viel gehaltvollem „aggro“(Günther Jauch bei Ludowig). Na gut, Jauch ist kein Journalist, aber Nikolaus Blome und Micky Beisenherz tröteten in dasselbe Horn, als sei nur so eine Wahl zu gewinnen.
Zur Digitalisierung des Landes kam leider gar nichts. Zum Klimawandel schon, aber bei Weitem inhaltlich nicht angemessen. Im Prinzip hätte das Thema mindestens zwei Drittel der Sendung beherrschen müssen. Doch selbst Baerbock bot viel zu wenig, sie nutzte die Chance nicht. Die Menschheit steht kurz vor der globalen Katastrophe, und die Kandidaten streiten minutenlang über Stellenausschreibungen! Und das Moderatorenduo lässt sie auch noch. Die Qualität der Politikerbefragungen sollte man im Privatfernsehen besser nicht zu hoch hängen…
Damit kann man das Triell eigentlich ad acta legen. Was nicht für den Klimawandel gilt. Das Thema bleibt uns erhalten, ob wir wollen oder nicht. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen fragte neulich im „New Yorker“, ob es tatsächlich klug sei, mit allen Mitteln gegen die zum Teil längst unumkehrbaren Tendenzen im Klimawandel anzukämpfen, wie es etwa Greta Thunberg fordert. Wäre es nicht klüger, so schlägt er vor, dass sich die Menschheit schon mal auf die kommenden Katastrophen vorbereitet?
Man könnte meinen, dass Armin Laschet Franzens größter Fan werden könnte, glaubt er doch selbst, dass allein die Förderung von Umwelttechnik das Gröbste verhindert und wir in unserem Kapitalismus im Kern so weitermachen können. Das Mantra der Technokraten: Wir fördern die Wirtschaft, dann haben wir Geld, um die Umweltfolgen zu bezahlen. Im Prinzip lässt sich darauf das CDU-Umweltprogramm reduzieren, das noch nicht mal konkrete Einzelheiten und verlässliche Zeitpunkte nennt. Das Umweltprogramm der FDP ist übrigens keinen Deut besser.
Was also tun gegen diesen kollektiven Verdrängungsprozess, der sich besonders in westlichen Demokratien noch genügend Raum verschafft? Was hilft gegen die ausschließliche Fortschrittsgläubigkeit, die auch bei diesem Triell deutlich wurde? Was schützt vor der Resignation, das Umweltdebakel lasse sich ohnehin nicht mehr verhindern? Es scheint ja so: Wir schaffen nur halbherzige Kompromisse zur Senkung der Treibhausgase. Der Kohleausstieg kommt viel zu spät. Das Tempolimit auf den Autobahnen scheitert an kurzsichtigem Lobbyismus. Man könnte meinen, unsere Kinder und Enkel werden auf einem Schrotthaufen leben müssen, wenn der überhaupt noch genug Luft zum Atmen lässt.
Menschlicher Überlebenswille
Dennoch: Es gibt Gründe, an den menschlichen Überlebenswillen zu glauben, das scheinbar Aussichtslose zu versuchen. Jeder Erfolg gegen den Wärmeanstieg verhindert wahrscheinlich ein Naturdesaster. Wir sollten vermeiden, nur nach der Rettung des großen Ganzen zu streben. Insofern liegt Franzen mit der Selbstaufgabe falsch. Die individuelle Bescheidenheit auch im Kleinen, der Verzicht auf Bequemlichkeit könnten helfen, den Erfolg im Großen zu sichern. Jeder ist gefordert. Und ja, auch ein Lastenfahrrad ist allemal besser als die Einkaufsfahrt im SUV.
Auch diese Bundestagswahl wird zeigen, wie ernst wir die Lage sehen. By the way: Nicht Rot/Grün/Rot macht mir Angst vor der Zukunft. Viel mehr Furcht muss man vor Schwarz/Rot/Gelb haben. Dann hätten die Technokraten und Zweckoptimisten die Nase vor. Das wäre tatsächlich Apocalypse Now. Denn für wiederholtes Scheitern haben wir keine Zeit mehr.
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