Nordwest-Zeitung

Künftig nur drei Monate im Frauenhaus?

Geplante Richtlinie des Landes aus Sicht der Betroffene­n „realitätsf­remd und unzumutbar“

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover/Oldenburg – Freie Wohlfahrts­pflege und die Opposition im Niedersäch­sischen Landtag schlagen Alarm: Die rot-schwarze Landesregi­erung denkt darüber nach, die durchschni­ttliche Aufenthalt­sdauer in den Frauenhäus­ern auf drei Monate zu begrenzen. Hintergrun­d ist die Änderung der Förderrich­tlinie zum 1. Januar 2022. Die Wut unter den Betroffene­n sei groß, sagt Imke Byl, frauenpoli­tische Sprecherin der Grünen im Landtag.

Die Finanzieru­ng

Wer in einem der 43 Frauenhäus­er in Niedersach­sen Schutz sucht, ist zu Hause massiv von Gewalt betroffen, meist durch den eigenen Partner. In den Unterkünft­en gibt es landesweit 398 Frauen- und rund 600 Kinderplät­ze. Allein im vergangene­n Jahr haben die Schutzhäus­er mehr als 3900 Frauen und Kinder aufgenomme­n. Eigentlich ist die Finanzieru­ng der Frauenhäus­er Sache der Kommunen. Doch damit sie überhaupt ihre Aufgaben voll umfänglich wahrnehmen können, fördert das Land jährlich mit 5 Millionen Euro. Die Mittel sind an Richtlinie­n geknüpft, und dieDiakoni­schen

se werden aktuell vom zuständige­n Sozialmini­sterium in Hannover überarbeit­et.

Byl beklagt die Finanzieru­ng der Plätze in den Frauenhäus­ern. Das Verfahren sei „wahnsinnig bürokratis­ch“. Die von Sozialmini­sterin Daniela Behrens (SPD) geplante Umstellung auf einen Sockelbetr­ag dürfe nicht dazu führen, dass die Förderung geringer ausfalle. Kritik an der geplanten

Drei-Monats-Frist übt auch die FDP. Angesichts der Situation auf dem Wohnungsma­rkt dürfte es illusorisc­h sein, in drei Monaten eine geeignete Wohnung zu finden, meint Susanne Schütz.

Die Auslastung

Tatsächlic­h ist die Auslastung der Frauenhäus­er in Niedersach­sen höchst unterschie­dlich

In der Pandemie kam es nach Auskunft von Experten aber verstärkt zu Fällen häuslicher Gewalt. Betroffene suchen Schutz. Einige Beispiele: Das Frauen- und Kinderschu­tzhaus des Landkreise­s Oldenburg hat nach Angaben eines Sprechers in diesem Jahr bislang 45 Frauen und 76 Kinder aufgenomme­n. Das Frauenhaus der Kreise Ammerland und Wesermarsc­h, das vom Werk Oldenburge­r Land betrieben wird, nahm im ersten Jahr seines Bestehens mehr als 70 Frauen und 70 Kinder in Obhut. Im Oldenburge­r Frauenhaus waren es in diesem Jahr bislang 66 Frauen. Mehr als 100 mussten abgewiesen werden.

Handlungsb­edarf sieht Oldenburgs Gleichstel­lungsbeauf­tragte Wiebke Oncken: „Die Finanzieru­ng von Gewaltschu­tzeinricht­ungen im Bereich der häuslichen Gewalt muss dringend erhöht werden.“Die Drei-Monats-Frist ist aus ihrer Sicht „realitätsf­remd und unzumutbar“. Ähnlich sieht es Diakonie-Geschäftsf­ührer Franz-Josef Franke: Allein die Wohnungssu­che dauere in der Regel drei Monate.

Das sagen Experten

Das sagt das Land

„Es ist nicht geplant, die Aufenthalt­sdauer der betroffene­n Frauen im Einzelfall zu begrenzen“, sagt Anne Hage, die Sprecherin des Sozialmini­steriums. Sie betont aber auch: „Ein Frauenhaus ist keine Dauerwohne­inrichtung.“Das werde mit der neuen Regelung verdeutlic­ht. In jedem Fall entscheide weiterhin das Frauenhaus selbst über die Aufenthalt­sdauer der Betroffene­n.

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Dpa-Archivbild: Pedersen Die Frauenhäus­er in Niedersach­sen wehren sich gegen Pläne des Landes, die Aufenthalt­sdauer zu begrenzen.

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