Künftig nur drei Monate im Frauenhaus?
Geplante Richtlinie des Landes aus Sicht der Betroffenen „realitätsfremd und unzumutbar“
Hannover/Oldenburg – Freie Wohlfahrtspflege und die Opposition im Niedersächsischen Landtag schlagen Alarm: Die rot-schwarze Landesregierung denkt darüber nach, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Frauenhäusern auf drei Monate zu begrenzen. Hintergrund ist die Änderung der Förderrichtlinie zum 1. Januar 2022. Die Wut unter den Betroffenen sei groß, sagt Imke Byl, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.
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Die Finanzierung
Wer in einem der 43 Frauenhäuser in Niedersachsen Schutz sucht, ist zu Hause massiv von Gewalt betroffen, meist durch den eigenen Partner. In den Unterkünften gibt es landesweit 398 Frauen- und rund 600 Kinderplätze. Allein im vergangenen Jahr haben die Schutzhäuser mehr als 3900 Frauen und Kinder aufgenommen. Eigentlich ist die Finanzierung der Frauenhäuser Sache der Kommunen. Doch damit sie überhaupt ihre Aufgaben voll umfänglich wahrnehmen können, fördert das Land jährlich mit 5 Millionen Euro. Die Mittel sind an Richtlinien geknüpft, und dieDiakonischen
se werden aktuell vom zuständigen Sozialministerium in Hannover überarbeitet.
Byl beklagt die Finanzierung der Plätze in den Frauenhäusern. Das Verfahren sei „wahnsinnig bürokratisch“. Die von Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) geplante Umstellung auf einen Sockelbetrag dürfe nicht dazu führen, dass die Förderung geringer ausfalle. Kritik an der geplanten
Drei-Monats-Frist übt auch die FDP. Angesichts der Situation auf dem Wohnungsmarkt dürfte es illusorisch sein, in drei Monaten eine geeignete Wohnung zu finden, meint Susanne Schütz.
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Die Auslastung
Tatsächlich ist die Auslastung der Frauenhäuser in Niedersachsen höchst unterschiedlich
In der Pandemie kam es nach Auskunft von Experten aber verstärkt zu Fällen häuslicher Gewalt. Betroffene suchen Schutz. Einige Beispiele: Das Frauen- und Kinderschutzhaus des Landkreises Oldenburg hat nach Angaben eines Sprechers in diesem Jahr bislang 45 Frauen und 76 Kinder aufgenommen. Das Frauenhaus der Kreise Ammerland und Wesermarsch, das vom Werk Oldenburger Land betrieben wird, nahm im ersten Jahr seines Bestehens mehr als 70 Frauen und 70 Kinder in Obhut. Im Oldenburger Frauenhaus waren es in diesem Jahr bislang 66 Frauen. Mehr als 100 mussten abgewiesen werden.
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Handlungsbedarf sieht Oldenburgs Gleichstellungsbeauftragte Wiebke Oncken: „Die Finanzierung von Gewaltschutzeinrichtungen im Bereich der häuslichen Gewalt muss dringend erhöht werden.“Die Drei-Monats-Frist ist aus ihrer Sicht „realitätsfremd und unzumutbar“. Ähnlich sieht es Diakonie-Geschäftsführer Franz-Josef Franke: Allein die Wohnungssuche dauere in der Regel drei Monate.
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Das sagen Experten
Das sagt das Land
„Es ist nicht geplant, die Aufenthaltsdauer der betroffenen Frauen im Einzelfall zu begrenzen“, sagt Anne Hage, die Sprecherin des Sozialministeriums. Sie betont aber auch: „Ein Frauenhaus ist keine Dauerwohneinrichtung.“Das werde mit der neuen Regelung verdeutlicht. In jedem Fall entscheide weiterhin das Frauenhaus selbst über die Aufenthaltsdauer der Betroffenen.