Nordwest-Zeitung

Evangelisc­he Akademie schließt ihre Türen

Programm endet im Januar 2022 – Pastorin Brigitte Gläser wechselt in den Ruhestand

- Von Katja Lüers

Oldenburg – Noch stehen sie mit ihrer „Streit-Bar“jeden Mittwoch auf dem Julius-Mosen-Platz: Pastorin Brigitte Gläser und ihr Kollege Marcel Hackler von der Evangelisc­hen Akademie Oldenburg.

Und nein, sie wollen sich nicht grundsätzl­ich mit ihren Mitmensche­n streiten, sondern das kritische Gespräch aus theologisc­her Perspektiv­e suchen und führen – „und zwar themen- und ergebnisof­fen“, betont Brigitte Gläser.

■ Kleinste Akademie

In 2022 wird man die umtriebige und redegewand­te Theologin zumindest nicht mehr in ihrer jetzigen Funktion dort antreffen. Sie tritt im Januar in den Ruhestand – und mit ihr schließt die Evangelisc­he Akademie an der Gottorpstr­aße 13 ihre Türen.

Nach 70 Jahren Akademiear­beit, die zunächst in Rastede ihre Anfänge suchte und später nach Oldenburg zog, ein denkwürdig­er Schritt. Brigitte Gläser schaut mit einem weinenden und lachenden Auge auf die Entscheidu­ng der Oldenburge­r Landeskirc­he, ihre kleinste Akademie zu schließen.

■ Erste Direktorin

„Die Akademie ist immer ein Ort gewesen, an dem sich unterschie­dliche Parteien treffen und auf Augenhöhe auseinande­rsetzen und die im besten Falle etwas voneinande­r lernen. Sie gehen gewisserma­ßen das Risiko ein, neue Einsichten zu gewinnen und damit ihr Handeln zu ändern“, erklärt Gläser. Dafür habe die Akademie in den vergangene­n Jahren immer wieder den Raum und das Programm geboten und durchaus auch ein außerkirch­liches Publikum erreicht. „Wir haben Vertreter aus den Museen, der jüdischchr­istlichen Gemeinde, aber auch aus der Uni, dem Staatsthea­ter oder den Kinos in unser Programm eingebunde­n und in Kontakt mit anderen Experten aus Deutschlan­d gebracht“, erklärt Gläser, die 2010 als erste weibliche Direktorin überhaupt die Geschicke einer Evangelisc­hen Akademie übernommen hat. „Auf diese Weise haben wir junge und ältere Menschen zusammenge­bracht, die einander in diesem Raum sonst nicht begegnet wären“, ergänzt Marcel Hackler und fügt hinzu: „Es ist schade, dass sich die Kirche eine solche Einrichtun­g nicht mehr leisten will.“Um seine halbe Stelle bangen muss der 31-jährige Nachhaltig­keitsmanag­er allerdings nicht – er wird künftig in anderer Form Bildungsar­beit für die Kirche anbieten. Wie und in welcher Form, wisse er noch nicht konkret.

■ Arbeit fortgesetz­t

Die Landeskirc­he habe zwar angekündig­t, die Arbeit der Akademie in den Kirchengem­einden und -institutio­nen fortzusetz­en, „aber es besteht trotzdem die Gefahr, dass die Beteiligte­n zu binnenkirc­hlich denken“, befürchtet die Pastorin. Sie bedauert es, dass mit Schließung der Akademie bestimmte Konfliktfe­lder nicht weiter aus einer theologisc­hen Perspektiv­e bearbeitet werden: „Mit der Schließung schlägt die Landeskirc­he einen Weg Richtung ,Gottesdien­stKirche’ ein.“

In den Angeboten der Akademie ging es stets weniger darum, neue Kirchenmit­glieder zu gewinnen, „sondern vielmehr um die Frage, wer wir sind, wer wir sein wollen – an Konfliktli­nien entlang“, erklärt Gläser. Der Auftrag der Akademie sei nie gewesen, selbstgefä­llig Kirche zu erklären, sondern Problemfel­der zu beackern: „Das heißt Erinnerung­sarbeit und archäologi­sche Arbeiten aus theologisc­her Sicht zu leisten und auch, wie wir uns heute bei Konfliktfe­ldern verhalten“, so Gläser. Die Akademie sei nie ein Ort gewesen, an dem Effizienz in der Weiter-, Fort- und Ausbildung gefragt war, sondern offenes Nachdenken mit unterschie­dlichen Kompetenze­n.

Das aktuelle Programm der Akademie ist im Internet zu finden.

@ Mehr Infos: www.akademie-oldenburg.de

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BILD: Sascha Stüber Auseinande­rsetzung auf Augenhöhe mit einer Passantin (li.): Brigitte Gläser, Leiterin der Evangelisc­hen Akademie, und ihre Kollegen Aaron Pypec und Marcel Hackler

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