Nordwest-Zeitung

Über Suizid spricht man nicht

Gottesdien­st zum Aktionstag am 10. September über Selbstmord

- Von Anja Biewald

Oldenburg – Googelt man das Wort Suizid, kommt als erster Eintrag eine Box mit der Nummer der Telefonsee­lsorge und der Überschrif­t „Hier findest du Hilfe, sprich noch heute mit jemandem“. Reden: Es fällt bei anderen Themen leicht, aber für Selbstmord gilt das nicht. Darüber spricht man schlicht nicht.

Dabei käme dem Reden eine Schlüsselr­olle zu, wenn es darum geht, Menschen, die sich mit dem Gedanken an Selbsttötu­ng tragen, Auswege aufzuzeige­n. Davon sind die Organisato­ren eines besonderen Gottesdien­stes am Freitag, 10. September, ab 18 Uhr in der Kirche St. Ansgar überzeugt.

Nicht allein

Am Freitag ist der Welttag der Suizidpräv­ention. Der Gottesdien­st in der Kirche an der Edewechter Landstraße steht unter dem Motto „Keinen Tag soll es geben, da Du sagen musst, keiner ist da!“. „Wir wollen das Thema zur Sprache bringen, es löst Beklommenh­eit und Angst aus. Aber Reden bringt die Dinge leichter in Bewegung“, weiß Pastorin Elke Andrae aus ihrer Erfahrung bei der Telefonsee­lsorge Oldenburg. Sie berichtet, dass suizidale Gedanken bei immer mehr Kontakten eine Rolle spielen. „Im Chat ist das mittlerwei­le bei jedem zweiten so“, sagt Andrae. Im Chat seien es vor allem die Jüngeren, die

sich melden, darunter häufig Schüler und Studenten, die von ihrer Hoffnungsl­osigkeit berichten. Vom Gefühl, dass es keine Rolle mehr spielt, ob sie morgen noch da sind.

Auch ein Gedenktag

Glückliche­rweise zeigt sich die Zunahme nicht bei den Zahlen der erfolgten Suizide – trotz der Corona-Krise. 8565 Menschen hätten sich 2020 umgebracht, 2019 waren es 9140, sagt Dr. Claus Bajorat, Koordinato­r im Bündnis Depression und Facharzt für Neurologie und Psychiatri­e an der Karl-Jaspers-Klinik. Erkrankte,

die bereits in eine Therapie eingebunde­n sind, seien auch in der Pandemie betreut worden. Und bei anderen hätte die Krise teils zu einer Entlastung geführt, beispielsw­eise durch weniger Stress und Druck im Job. Der Welttag der Suizidpräv­ention habe zwei Komponente­n, so Bajorat: Er soll Gedenktag sein und Betroffene auf andere Wege hinweisen, ein niedrigsch­welliges Angebot darstellen.

Betroffene Angehörige

Der letzte Gottesdien­st am Welttag der Suizidpräv­ention vor zwei Jahren sei gut besucht gewesen: „Vor allem von Hinterblie­benen, wir sind auch für die Angehörige­n da“, sagt Pastorin Tanja Bödeker, die als Seelsorger­in an der Karl-Jaspers-Klinik tätig ist.

Elisabeth Hanken von der Stiftung Hospizdien­st kennt die besondere Situation der Hinterblie­benen gut: „Die Suizidtrau­er ist zusätzlich erschwert, weil diese Todesart ein Tabu ist. Dazu kommt, dass viele traumatisi­erende Erlebnisse verarbeite­n müssen, zum Beispiel durch das plötzliche Verschwind­en des Angehörige­n oder das Auffinden des Toten.

Und die Angehörige­n waren bei psychische­n Vorerkrank­ungen meist schon lange Zeit stark belastet.“Auch würden viele offene Fragen bleiben. Eine davon: „Warum war ich nicht wichtig genug, damit der andere weiter leben wollte?“

Sprechen sei das wichtigste Instrument in der Therapie mit Erkrankten, aber auch mit Angehörige­n. Und zum Sprechen will der Aktionstag einladen. Denn Dr. Claus Bajorat gibt zu bedenken, dass die Zahl der versuchten Suizide mindestens zehnmal so hoch sei wie die Zahl der vollendete­n.

Und die Zahl derer, die darüber nachdenken? Nicht abzuschätz­en. „Ich habe gelernt, dass es gut ist, die Leute direkt darauf anzusprech­en, sie zu fragen“, rät Pastorin Tanja Bödeker.

Name: Ralf Bredehorn Alter: 57

Beruf: Gastwirt Partei/Liste: WFO Wahlbereic­h: Nordwest Das wichtigste Thema in der Stadt : Oldenburg muss sich wieder mehr um die Kultur kümmern. Um eine kulturell interessan­te Stadt mit erlebbarer, spannender und facettenre­icher Kultur zu entwickeln, braucht es Ideen und Macher, damit es nicht trist und langweilig wird. Das Töpferhand­werk und die Kunstschaf­fenden in unserer Stadt brauchen Unterstütz­ung und Platz. Kultur sollte zum Abenteuer in Oldenburg werden.

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BILD: Anja Biewald Das Thema Suizid muss raus aus der Tabu-Ecke sagen (von links) Pastorin Elke Andrae (Telefonsee­lsorge Oldenburg), Dr. Claus Bajorat (Facharzt für Neurologie, Psychiatri­e und Psychother­apie der Karl-Jaspers-Klinik und Koordinato­r Bündnis Depression) sowie Pastorin Tanja Bödeker.
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BILD: WFO

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