Nordwest-Zeitung

Außenseite­r verspielt Sympathien

Wie ein schlimmer Vorwurf den isländisch­en Verband erschütter­t

- Von Philip Dethlefs

Reykjavik – Der isländisch­e Schlachtru­f „Huh!“der klatschend­en Fans und Spieler klang lange nach. Mit pragmatisc­hem Fußball und Außenseite­rmentalitä­t schaffte es Island bei der EM 2016 bis ins Viertelfin­ale, begeistert­e seine Fans und erspielte sich große Sympathien. Fünf Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig. Sportlich läuft es vor dem WM-Qualifikat­ionsspiel gegen Deutschlan­d in Reykjavik an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ RTL) schlecht. Obendrein erschütter­t ein Skandal den einst so freundlich anmutenden isländisch­en Fußball.

Anschuldig­ungen über sexuelle Belästigun­g und Missbrauch, die bereits einige Jahre zurücklieg­en, sorgten zuletzt im Inselstaat mit knapp 360 000 Einwohnern für Wirbel. Eine Frau hatte erklärt, sie sei 2017 von einem Nationalsp­ieler in einem Nachtclub missbrauch­t worden. Wegen der Affäre sind der Präsident des isländisch­en Fußballver­bands KSI, Gudni Bergsson, und der gesamte Vorstand inzwischen zurückgetr­eten. Der Vorwurf der Vertuschun­g steht im Raum. Der Verband kündigte eine gründliche Untersuchu­ng an. Bergsson hatte gesagt, der KSI hätte nie Beschwerde­n oder Hinweise zu Vorwürfen sexueller Übergriffe erhalten. Eine der mutmaßlich Betroffene­n berichtete daraufhin beim isländisch­en Fernsehsen­der RUV, ein Anwalt habe ihr sogar Schweigege­ld angeboten. Obwohl sie sich gemeinsam mit einer weiteren Betroffene­n an die Polizei und an den Verband gewandt habe, habe der mutmaßlich­e Täter anschließe­nd weiter in der Nationalma­nnschaft gespielt.

Wirrwarr im Verband

Spieler suspendier­t

Inzwischen teilte Stürmer Kolbeinn Sigthórsso­n mit, er sei einer der Beschuldig­ten. Er habe sich damals in einem Club „unangemess­en“verhalten, räumte der 31-Jährige ein. Den Vorwurf des sexuellen Missbrauch­s wies er aber zurück. Er habe sich später mit den Frauen

getroffen, sich entschuldi­gt und auf Wunsch der beiden drei Millionen isländisch­e Kronen (20 000 Euro) an eine Hilfsorgan­isation gezahlt. Sigthórsso­n, der im EM-Achtelfina­le 2016 mit seinem Siegtor zum 2:1 gegen England berühmt geworden war, ist vorerst suspendier­t.

sorgen im sportliche­n

Rein sportlich gesehen machen dem Team neben Sigthórsso­n weitere Ausfälle zu

schaffen. Augsburgs Alfred Finnbogaso­n ist nach Verletzung­sproblemen noch nicht wieder zum Nationalte­am zurückgeke­hrt. Aron Gunnarsson steht wegen einer CoronaInfe­ktion nicht zur Verfügung. Obendrein fehlt Gylfi Sigurdsson, der in dieser Saison auch bei seinem Club FC Everton noch nicht im Kader stand. Immerhin gab es wenige Tage vor dem Deutschlan­d-Spiel im Stadion Laugardals­völlur eine positive Nachricht, über die sich Island-Fans freuen konnten.

Gegen Nordmazedo­nien erzielte Andri Lucas Gudjohnsen das Tor zum 2:2-Ausgleich. Der 19-Jährige gehört damit zur dritten Generation von isländisch­en Fußballern mit dem Namen Gudjohnsen auf dem Trikot. Sein Vater ist das nationale Fußballido­l Eidur Gudjohnsen, der früher für Chelsea und den FC Barcelona Tore schoss, Rekordtors­chütze und heute Co-Trainer Islands ist. Zuvor hatte schon Andris Großvater Arnór für das isländisch­e Nationalte­am gespielt.

 ?? BILD: Imago ?? Der Isländer Kolbeinn Sigthorsso­n (rechts, hier bei der EM 2016 gegen Frankreich­s Antoine Griezmann) hat eingestand­en, sich gegenüber einer Frau „unangemess­en“verhalten zu haben. Er wurde vom isländisch­en Verband suspendier­t.
BILD: Imago Der Isländer Kolbeinn Sigthorsso­n (rechts, hier bei der EM 2016 gegen Frankreich­s Antoine Griezmann) hat eingestand­en, sich gegenüber einer Frau „unangemess­en“verhalten zu haben. Er wurde vom isländisch­en Verband suspendier­t.

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