Nordwest-Zeitung

Missbrauch hinter verschloss­ener Tür

Taten innerhalb der Familie bleiben oft unentdeckt – Männer meist Täter, Mädchen Opfer

- Von Andreas Rabenstein

Man kennt Igor Levit (34) als hochsensib­len Pianisten für Großwerke von Ludwig van Beethoven oder Johann Sebastian Bach – privat umgibt sich der Klassiksta­r jedoch gern mit Hip-Hop-Beats und coolem Rap. Dabei darf es auch deftig zugehen: „Die Westcoast-Szene hat mich extrem geprägt, als ich Student war. Das habe ich rauf und runter gehört – Dr. Dre, Eminem, Tupac, LL Cool J“, sagte der KlavierVir­tuose. „Aus der neueren Generation finde ich Chance The Rapper einfach sensatione­ll. Und das letzte Nas-Album ist der Hammer“, begeistert­e sich Levit. Erst im April hatte er Nähe zum deutschen HipHop gezeigt, als er mit Sänger/ Rapper Daniel Pongratz alias Danger Dan (38) vom Trio Antilopen Gang einen Song in Jan Böhmermann­s Sendung „ZDF Magazin Royale“spielte.

Der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r Sebastian Vettel hat seine Aktion verteidigt, vor dem Großen Preis von Ungarn Anfang August ein T-Shirt in Regenbogen­farben mit der Aufschrift „Same Love“getragen zu haben. „Ich denke, es gibt Themen, da kann man sich nicht wegducken oder sagen: Das gehört hier nicht hin. Lasst uns nicht darüber sprechen. Manche Themen sind so groß, dass sie buchstäbli­ch überall hin gehören, und jeder muss sich dessen bewusst sein“, sagte Vettel dem Sender BBC. Abseits der Strecke hatte der 34-Jährige eine Verwarnung für die Aktion kassiert. Titelverte­idiger Lewis Hamilton hatte Vettel für das Tragen des Shirts gelobt.

Berlin – Sexuellem Missbrauch in Familien zu entkommen, ist für Kinder oft ganz besonders schwierig. Gerade Familien könnten sich leicht nach außen abschotten und so Hilfe und Eingreifen von außen verhindern – das hat eine Studie zu Berichten über Taten in vergangene­n Jahrzehnte­n ergeben. Die Untersuchu­ng der Unabhängig­en Kommission zur Aufarbeitu­ng sexuellen Kindesmiss­brauchs wurde am Dienstag in Berlin vorgestell­t. Es gab und gibt eine große Scheu, sich in die Familie einzumisch­en, wie die Vorsitzend­e der Kommission und Autorin der Studie, Sabine Andresen, sagte.

Viele Menschen würden denken, es gehe sie nichts an, was hinter der Haustür einer Familie vor sich gehe, erklärte Andresen. Auch bei Fachkräfte­n

der Jugendämte­r sei diese Scheu vorhanden gewesen, hätten Opfer von Missbrauch der Kommission berichtet. Den Kindern werde von den Tätern vermittelt, alles was in der Familie passiere, bleibe auch in der Familie. „Für die Kinder als Opfer in den Familien gab es keine offizielle­n Ansprechpa­rtner für Hilferufe.“Dringend nötig sei die weitere Aufarbeitu­ng, sagte Andresen. Das betreffe besonders auch die Jugendämte­r und ihr Agieren in den vergangene­n Jahrzehnte­n.

Oft die Väter

Laut 870 ausgewerte­ten Berichten aus den vergangene­n Jahren über frühere Taten waren die Täter ganz überwiegen­d Männer und die Opfer meist Mädchen. 87 Prozent männliche und 13 Prozent weibliche Täter wurden in der

Studie festgestel­lt. Zum sexuellen Missbrauch zählten Vergewalti­gung, aber zum Beispiel auch Handlungen wie Reiben und Berühren über der Kleidung.

Fast die Hälfte der 1153 angegebene­n Täter (48 Prozent) waren leibliche Väter, Pflegeväte­r

und Stiefväter. Außerdem nannten die Opfer Großund Stiefonkel, Brüder, Großväter und andere Verwandte. Zehn Prozent der Täter und Mittäter waren Mütter.

Unter den Opfern waren knapp 89 Prozent Mädchen und weibliche Jugendlich­e und 10 Prozent männlich. In einigen Fällen wurde das Geschlecht nicht angegeben. Die jüngsten Menschen, die sich an die Kommission wandten, waren zwischen 16 und 21 Jahre alt, die ältesten zwischen 76 und 80 Jahre. Die meisten Berichte stammten von Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.

Taten werden geduldet

Die Opfer wurden von den Tätern bedroht, geschlagen oder regelrecht verprügelt. Andere Familienan­gehörige, besonders Mütter, halfen ihnen oft nicht und duldeten den Missbrauch. Ebenso fehlte Hilfe von Schule oder Jugendämte­rn. Betroffene berichtete­n, dass sie als Kind nicht ernst genommen wurden und ihnen nicht geglaubt wurde, wenn sie versuchten, sich Hilfe zu holen.

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