Große Diskussion um Freiheitstag
Mediziner schlägt Ende aller Beschränkungen am 30. Oktober in Deutschland vor
Berlin/Hannover – Die Zahl der Neu-Ansteckungen in Deutschland geht weiter zurück. So sank die Sieben-TageInzidenz am sechsten Tag in Folge auf 70,5 am Sonntagmorgen (Vortag: 72,0; Vorwoche 80,2; Vormonat: 44,2), wie aus Zahlen des Robert KochInstituts (RKI) hervorgeht. Damit scheint die rasante Verschärfung der Infektionslage seit Mitte Juli erstmal gestoppt. Warum das so ist, darüber können Fachleute nur spekulieren. „Das ist die Gretchenfrage“, sagte Dirk Brockmann, der am RKI Epidemiologische Modelle macht, dem „Spiegel“. Es könne unter anderem sein, „dass die Tests an den Schulen, die ja durchgeführt werden, jetzt Wirkung zeigen – dass die Kinder in Quarantäne geschickt und Infektionsketten durchbrochen werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass doch mehr Menschen immun sind, also eine Dunkelziffer eine Rolle spielt.“Zudem sei das Impfen wichtig und auch das gute Wetter der letzten Wochen. „All das sind Faktoren, die zusammenspielen, aber unter dem Strich können wir nur Hypothesen aufstellen darüber, warum die Zahlen nicht weiter steigen.“
Der Vorschlag
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hat für den 30. Oktober die Aufhebung aller Corona-Beschränkungen gefordert. „Nach den Erfahrungen aus Großbritannien sollten wir auch den Mut haben zu machen, was auf der Insel geklappt hat. Also braucht es jetzt eine klare Ansage der Politik: In sechs Wochen ist auch bei uns Freedom Day!“, sagte der Kassenärztechef der „Neuen Osnabrücker Zeitung“(Samstag). Über diese Forderung ist jetzt eine heftige Diskussion entbrannt.
DIe Kritik
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält dies für „nicht ethisch vertretbar“. Die Welle der Pandemie, die dann käme, wäre zu groß, warnte der SPDPolitiker auf Twitter. Besser wäre eine Öffnung, wenn 85 Prozent geimpft seien. Bis dahin sollte die 2 G-Regel gelten.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen erklärte, die Forderung widerspreche der Haltung der Mehrheit der niedergelassenen Ärzte. Für eine Lockerung bräuchte es eine Impfquote bei den über 60-Jährigen von deutlich über 90 Prozent, in der Gesamtbevölkerung bei den impffähigen Personen von über 80 Prozent. Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, lehnte Gassens Forderung ab. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) sagte, ein Ende der Corona-Maßnahmen halte sie „noch für zu leichtsinnig“.
DIe Unterstützung
Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann hält eine Diskussion über eine Aufhebung der Corona-Regeln zwar für richtig. Es sei aber zu früh dafür, ein Datum zu nennen, sagte Ullmann auf NDR Info.
Zuspruch erhält Gassen von der AfD. Spitzenkandidatin Alice Weidel teilte mit: „Die Kassenärzte wissen besser als alle selbst ernannten Gesundheitsexperten um die CoronaLage und den Zustand unseres Gesundheitssystems.“