Nordwest-Zeitung

Phantom an der Staatsspit­ze

- Von Günther Chalupa

Ein autoritäre­r Herrscher, aber ein Mann der Versöhnung: Der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte sein Volk vor allem in den letzten Jahren stark gespalten. Im Gegensatz zu seinen gestürzten Kollegen in Libyen, Tunesien und Ägypten überstand er die arabischen Frühlingss­türme zunächst nahezu unbeschade­t. Da er in seinen letzten Amtsjahren aber kaum noch öffentlich auftrat, war nur noch von dem „Phantom“die Rede – das schließlic­h aus dem Amt gejagt wurde. Jetzt ist Bouteflika im Alter von 84 Jahren gestorben.

Weg frei für Neuwahlen

Bouteflika war von 1999 an fast 20 Jahre an der Macht. Seine Ankündigun­g, trotz schwerer Krankheit und seltener öffentlich­er Auftritte für eine fünfte Amtszeit kandidiere­n zu wollen, löste Anfang 2019 Massenprot­este mit Millionen Teilnehmer­n aus. In der Folge zog das in Algerien wichtige Militär schließlic­h seine Unterstütz­ung zurück und ließ Bouteflika fallen. Er trat zurück und machte den Weg für Neuwahlen frei.

An den Machtverhä­ltnissen im Land änderte sich zunächst aber nur wenig, weil Bouteflika und die Machtelite des Landes ein enges Netzwerk aufgebaut hatten. Die Massenprot­este hielten denn auch an – in den Straßen ist oft nicht vom Präsidente­n die Rede, sondern von „le pouvoir“: der „Macht“.

Als Hintergrun­d von Bouteflika­s langer Herrschaft gelten vor allem seine Erfolge als

Versöhner sowie die Angst des Volkes vor Chaos und Gewalt.

Als der ehrgeizige Politiker 1999 an die Macht kam, hatte Algerien einen schlimmen Bürgerkrie­g mit schätzungs­weise 150 000 Toten hinter sich. Bouteflika setzte sich für ein Friedensab­kommen mit den Islamisten sowie eine Amnestie für Tausende islamistis­che Kämpfer ein. Auf diese Weise gelang es ihm, den Terror einzudämme­n und das Land ein Stück weit zu beruhigen und leistungsf­ähiger zu machen.

Schwerer Rückschlag

Ein schwerer Rückschlag war allerdings die Geiselnahm­e von Mitarbeite­rn des ostalgeris­chen Gasfeldes in Amenas im Januar 2013, die weltweit für Schlagzeil­en sorgte. Bei dem von Islamisten im Zuge des Mali-Krieges verübten Angriff kamen 37 ausländisc­he Geiseln ums Leben.

Die Karriere Bouteflika­s hatte früh begonnen. 19-jährig beendete er seine Schullaufb­ahn, trat der Befreiungs­armee bei und kämpfte gegen die damalige Kolonialma­cht Frankreich. Nach der Unabhängig­keit 1962 wurde er Sportminis­ter und im Alter von 26 Jahren der damals jüngste Außenminis­ter der Welt.

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DPA-BILD: Messara

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