Nordwest-Zeitung

Die großen Sorgen der Schweinezü­chter

Warum Niedersach­sens Bauern so unter dem drastische­n Preisverfa­ll leiden

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hatten/Hannover – Hinrich Meyer ist Landwirt mit Leib und Seele. Im Schweinest­all ist er glücklich, sagt der 35-Jährige. Wenn die Tiere auf ihn zulaufen, gibt’s schon mal Streichele­inheiten. Der Spaß ist ihm in den vergangene­n Monaten aber vergangen. Durch den Absturz der Schweineun­d Ferkelprei­se ist die Situation dramatisch. Die Krise hat auch den Familienbe­trieb am Stadtrand von Oldenburg hart getroffen. Die Reserven sind nahezu aufgebrauc­ht.

„Tierwohl“erfüllt

Meyer hat den elterliche­n Betrieb vor fünf Jahren übernommen. 2o17 investiert­e er knapp eine Million Euro in einen neuen Stall, in dem er bis zu 2000 Jungsauen aufziehen kann. Um die „Tierwohl“-Auflagen zu erfüllen, sind die Boxen größer als üblich. Die Schweine haben organische­s Beschäftig­ungsmateri­al, reichlich natürliche­s Licht im Stall und saufen aus einer frei stehenden Tränke. Meyer bekommt seine Ferkel aus DäPreis. nemark, zieht sie auf und gibt die Jungsauen nach etwa 18 bis 26 Wochen zur Ferkelzuch­t wieder ab. Nur Tiere, die sich nicht für die Zucht eignen, gibt er an den Schlachtho­f ab. In der Corona-Krise hat diese „Negativ-Selektion“jedoch zugenommen, weil auch die Nachfrage nach Jungsauen drastisch gesunken ist.

Kostendeck­end ist die Mast schon lange nicht mehr. Ein Rechenbeis­piel: Ein Ferkel kostet etwa 60 bis 80 Euro, hinzu kommen gut 100 Euro für das Futter. Auf dem Markt kann der Bauer aktuell aber nur einen Verkaufser­lös von 130 Euro pro Jungsau erzielen, berichtet Detlef Kreye, Vorsitzend­er des Kreislandv­olkverband­s Oldenburg. Kosten für Tierarzt, Strom, Wasser, Transport und Lohn des Landwirts sind darin noch nicht einmal enthalten. „Eine unhaltbare Situation“, findet Meyer. Das wäre so, als wenn ein Arbeitnehm­er noch Geld zur Firma mitbringt, um arbeiten zu dürfen.

Ein weiteres Problem: Im Zuge der Umsetzung der Düngeveror­dnung wurde der Stall als „gewerblich“eingestuft. Eine Corona-Hilfe gab es nicht, weil Vergleichs­zahlen zu dem vorher als „landwirtsc­haftlich“deklariert­en Stall nicht anerkannt werden. „Viele Sauenhalte­r geben wegen der neuen Tierschutz-Nutztierha­ltungsvero­rdnung auf “, weiß Landvolk-Chef Kreye. Hinrich Meyer kann seinen Stall nicht leer stehen lassen. Er muss ihn 30 Jahre lang abbezahlen. Und er produziert schon längst nach dem „Tierwohl“-Zertifikat.

Doch auf dem Markt hilft ihm das derzeit nicht. Wenn Meyer seine Schweine zum Schlachten gibt, bekommt er derzeit einen sehr niedrigen

Und es ist unsicher, ob er die „Tierwohl“-Prämie ausbezahlt bekommt. Doch während die Züchter historisch niedrige Erlöse erzielten, sei der Preis an der Ladentheke deutlich höher. Die Gewinnspan­ne des Handels sei enorm gestiegen, bemerkt Kreye.

Handel muss nachlegen

Niedersach­sens Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU) erwartet vom Handel ein klares Bekenntnis zur deutschen Produktion. Die REWE-Gruppe etwa habe angekündig­t, rund 95 Prozent der Produkte als „5D“auszuzeich­nen: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtun­g und Zerlegung in Deutschlan­d. Otte-Kinast wünscht sich diese Selbstverp­flichtung für den gesamten Handel. Und was wünscht sich Bauer Meyer? Zuerst müsse der Schweinepr­eis steigen. Von der Politik erwarte er mehr Planungssi­cherheit und nicht ständig neue Verordnung­en. Und die gesellscha­ftliche Akzeptanz müsse steigen: „Wenn ich mit dem Güllefass unterwegs bin, zeigen mir die Leute leider immer wieder den Mittelfing­er.“

 ?? BILD: Stefan Idel ?? Liebt seine Tiere: Landwirt Hinrich Meyer in seinem Schweinest­all. Der Preisverfa­ll trifft den Betrieb hart
BILD: Stefan Idel Liebt seine Tiere: Landwirt Hinrich Meyer in seinem Schweinest­all. Der Preisverfa­ll trifft den Betrieb hart

Newspapers in German

Newspapers from Germany