Die großen Sorgen der Schweinezüchter
Warum Niedersachsens Bauern so unter dem drastischen Preisverfall leiden
Hatten/Hannover – Hinrich Meyer ist Landwirt mit Leib und Seele. Im Schweinestall ist er glücklich, sagt der 35-Jährige. Wenn die Tiere auf ihn zulaufen, gibt’s schon mal Streicheleinheiten. Der Spaß ist ihm in den vergangenen Monaten aber vergangen. Durch den Absturz der Schweineund Ferkelpreise ist die Situation dramatisch. Die Krise hat auch den Familienbetrieb am Stadtrand von Oldenburg hart getroffen. Die Reserven sind nahezu aufgebraucht.
„Tierwohl“erfüllt
Meyer hat den elterlichen Betrieb vor fünf Jahren übernommen. 2o17 investierte er knapp eine Million Euro in einen neuen Stall, in dem er bis zu 2000 Jungsauen aufziehen kann. Um die „Tierwohl“-Auflagen zu erfüllen, sind die Boxen größer als üblich. Die Schweine haben organisches Beschäftigungsmaterial, reichlich natürliches Licht im Stall und saufen aus einer frei stehenden Tränke. Meyer bekommt seine Ferkel aus DäPreis. nemark, zieht sie auf und gibt die Jungsauen nach etwa 18 bis 26 Wochen zur Ferkelzucht wieder ab. Nur Tiere, die sich nicht für die Zucht eignen, gibt er an den Schlachthof ab. In der Corona-Krise hat diese „Negativ-Selektion“jedoch zugenommen, weil auch die Nachfrage nach Jungsauen drastisch gesunken ist.
Kostendeckend ist die Mast schon lange nicht mehr. Ein Rechenbeispiel: Ein Ferkel kostet etwa 60 bis 80 Euro, hinzu kommen gut 100 Euro für das Futter. Auf dem Markt kann der Bauer aktuell aber nur einen Verkaufserlös von 130 Euro pro Jungsau erzielen, berichtet Detlef Kreye, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Oldenburg. Kosten für Tierarzt, Strom, Wasser, Transport und Lohn des Landwirts sind darin noch nicht einmal enthalten. „Eine unhaltbare Situation“, findet Meyer. Das wäre so, als wenn ein Arbeitnehmer noch Geld zur Firma mitbringt, um arbeiten zu dürfen.
Ein weiteres Problem: Im Zuge der Umsetzung der Düngeverordnung wurde der Stall als „gewerblich“eingestuft. Eine Corona-Hilfe gab es nicht, weil Vergleichszahlen zu dem vorher als „landwirtschaftlich“deklarierten Stall nicht anerkannt werden. „Viele Sauenhalter geben wegen der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auf “, weiß Landvolk-Chef Kreye. Hinrich Meyer kann seinen Stall nicht leer stehen lassen. Er muss ihn 30 Jahre lang abbezahlen. Und er produziert schon längst nach dem „Tierwohl“-Zertifikat.
Doch auf dem Markt hilft ihm das derzeit nicht. Wenn Meyer seine Schweine zum Schlachten gibt, bekommt er derzeit einen sehr niedrigen
Und es ist unsicher, ob er die „Tierwohl“-Prämie ausbezahlt bekommt. Doch während die Züchter historisch niedrige Erlöse erzielten, sei der Preis an der Ladentheke deutlich höher. Die Gewinnspanne des Handels sei enorm gestiegen, bemerkt Kreye.
Handel muss nachlegen
Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) erwartet vom Handel ein klares Bekenntnis zur deutschen Produktion. Die REWE-Gruppe etwa habe angekündigt, rund 95 Prozent der Produkte als „5D“auszuzeichnen: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung in Deutschland. Otte-Kinast wünscht sich diese Selbstverpflichtung für den gesamten Handel. Und was wünscht sich Bauer Meyer? Zuerst müsse der Schweinepreis steigen. Von der Politik erwarte er mehr Planungssicherheit und nicht ständig neue Verordnungen. Und die gesellschaftliche Akzeptanz müsse steigen: „Wenn ich mit dem Güllefass unterwegs bin, zeigen mir die Leute leider immer wieder den Mittelfinger.“