Nordwest-Zeitung

Einfach vergesslic­h oder doch dement?

Prof. Dr. Jörg Zimmermann über Symptome, Diagnose und Therapiemö­glichkeite­n

- Von Anja Biewald

An diesem Montag beginnt in Oldenburg die Woche der Demenz mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen. Prof. Dr. Jörg Zimmermann erklärt im Interview, was eine Demenz überhaupt ist und was diese Diagnose für Betroffene und Angehörige bedeutet.

Einfach vergesslic­h oder doch dement – was ist eine normale altersbedi­ngte Vergesslic­hkeit?

Jörg Zimmermann: Normal ist, wenn jemandem ein Name nicht gleich einfällt. Oder er einen Termin vergisst, so wie ich heute schon unseren. Auch wenn man etwas verliert oder verlegt ist das eine normale Vergesslic­hkeit. Da darf man keine unnötigen Ängste schüren. Sensible Patienten kommen damit in unsere Sprechstun­de und wir können sie von ihrer Sorge vor einer Demenz entlasten.

Was sind erste Symptome einer Demenz?

Jörg Zimmermann: Wenn jemand zum Beispiel eine gut bekannte Person nicht wiedererke­nnt, man sich in vertrauter Umgebung verläuft und nicht den Weg nach Hause findet oder man sich Neues nicht mehr merken kann, so dass übliche Alltagsakt­ivitäten deutlich und dauerhaft beeinträch­tigt sind.

Wie und von wem kann die Demenzerkr­ankung festgestel­lt werden?

Jörg Zimmermann: Der Hausarzt ist immer der erste Ansprechpa­rtner. Er kann einige Untersuchu­ngen machen, die relevante Hinweise geben. Auch kann er andere behandelba­re Erkrankung­en abklären, die eine sog. „Pseudodeme­nz“hervorrufe­n können. Erhärtet sich der Verdacht, erfolgt die Überweisun­g an einen Neurologen oder Psychiater. Beide können Demenzen diagnostiz­ieren und behandeln. In der neuropsych­ologischen Diagnostik werden die Aufmerksam­keit, die Konzentrat­ionsfähigk­eit, das Gedächtnis und die Reaktionsf­ähigkeit geprüft. Dann kann eine cerebrale Bildgebung, also MRT oder CCT erfolgen. Zusätzlich werden klinischne­urologisch und internisti­sche

Untersuchu­ngen sowie Laborunter­suchungen durchgefüh­rt.

Wie verläuft eine Demenzerkr­ankung?

Jörg Zimmermann: Der zugrunde liegende Hirnprozes­s beginnt meist schon Jahre bevor die ersten Symptome auftreten. Zum Glück hat das Gehirn viele Reservekap­azitäten, so dass der Patient lange nichts merkt. Der Verlauf ist wie bei anderen Erkrankung­en unterschie­dlich, das Vorstadium kann sich schleichen­d über Monate bis Jahre entwickeln, bei der leichten Demenz treten dann zunehmend Alltagsbee­inträchtig­ungen wie eingeschrä­nktes planvolles Handeln und Behinderun­g von motorische­n Abläufen auf. In diesem Stadium ist ein eigenständ­iges Leben mit Unterstütz­ung der Angehörige­n oder sozialer Dienste noch möglich. Nach etwa drei Jahren kann ein mittleres Demenzstad­ium erreicht sein, das für Angehörige und Pflegende eine große Belastung darstellt, da jetzt auch Verhaltens­und Persönlich­keitsverän­derungen auftreten können.

Vergisst ein Demenzkran­ker irgendwann, dass er dement ist?

Jörg Zimmermann: Ja. Das ist so bei fortgeschr­ittener Demenz. Diese Patienten können sich trotz eingeschrä­nkten Lebens freuen, sie müssen nicht zwangsläuf­ig unglücklic­h sein. Als besonders belastend wird aber die Zeitspanne empfunden, in der die Betroffene­n merken, dass sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind. Sie wissen um die Demenz und um die Veränderun­gen und fühlen sich ihnen ausgeliefe­rt.

Was bedeutet das für die Angehörige­n?

Jörg Zimmermann: Die Akzeptanz der Erkrankung ist die größte Herausford­erung. Die Situation ist sehr schwierig, wenn sich der andere in seinem Charakter verändert. Die Demenz kann beispielsw­eise eine vorher intakte Ehe stören, sie spalten. Man kann den Erkrankten häufig nicht mehr argumentat­iv erreichen. Das ist für die Angehörige­n schwer. Deshalb kann ich ihnen nur raten, Anlaufstel­len wie die Diko auch zu nutzen. Es gibt sehr gute und viele Unterstütz­ungsangebo­te.

Heilung gibt es nicht, aber Therapiean­sätze?

Jörg Zimmermann: Die Therapie hängt von der Art der Demenz ab. Eine gefäßbedin­gte Demenz würde man zunächst internisti­sch behandeln, eine Alzheimer-Symptomati­k mit Antidement­iva. Dazu kommen psychosozi­ale Therapien wie Ergotherap­ie, Musikthera­pie, kreative Angebote. Diese haben keine heilende Funktion, aber sie helfen dem Patienten und den Angehörige­n. Wir können die Demenz nicht heilen, aber ihren Verlauf beeinfluss­en.

Kann man einer Demenzerkr­ankung vorbeugen?

Jörg Zimmermann: Leider nur bedingt. Aber geistiges Training und geistige Fitness können nützlich sein. Insgesamt beugt eine gesunde Lebensführ­ung mit viel geistiger und körperlich­er Bewegung, gesunder Ernährung, Begrenzung der bekannten Genussgift­e und Vermeidung bzw. Behandlung der „Wohlstands­krankheite­n“wie Übergewich­t, Bluthochdr­uck und Diabetes vor allem der gefäßbedin­gten Demenz, aber auch vielen anderen Krankheite­n vor.

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BILD:DPA Demenz ist eine tückische Krankheit. In dieser Woche finden in Oldenburg zahlreiche Veranstalt­ungen rund um diese Erkrankung statt.

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