Chaos in der Geburtshilfe
hospital Hebammen berichten vom plötzlichen Ende der Entbindungsstation in Friesoythe und den Folgen
Friesoythe – Weil der Kreißsaal des St.-Marien-Hospitals Friesoythe (Landkreis Cloppenburg) bereits Ende Oktober geschlossen wird, hat das Hebammen-Team gerade alle Hände voll zu tun. Vor allem aber müssen die fünf Freiberuflerinnen erst mal verkraften, was sie und das angestellte Pflegepersonal erst am Montag erfahren haben.
„Das ist unser Baby“, sagen sie immer wieder beim Termin im Kreißsaal – noch immer fassungslos. Roswitha Funke aus Friesoythe, Claudia Schlump aus Strücklingen, Laura Broermann aus Cloppenburg, Klaudia Nordenbrock aus Bösel und Heike Bothur aus Ostrauderfehn koordinieren ihre Dienste selbst. „Kann sich einer daran erinnern, wann mal eine von uns krank war“, fragt Claudia Schlump. „Nie“, sagt Roswitha Funke, die seit 20 Jahren am St.-Marien-Hospital arbeitet.
Familien ohne Plan
Das schnelle Ende der Geburtshilfestation habe „in der Region für chaotische Verhältnisse in der Schwangerschaftsbetreuung und Geburtshilfe“gesorgt, berichtet Hebamme Heike Bothur. So müssten sie die Anfragen Hunderter verunsicherter Frauen beantworten, deren Planungen zu Schwangerschaft und Geburt über Nacht zunichte gemacht worden seien. Eigentlich ist es einer der ersten Schritte die Schwangere gehen, wenn sie sicher wissen, dass sie ein Kind bekommen: sich eine Hebamme suchen und zu überlegen, in welches Krankenhaus sie gehen wollen. Werdende Mütter in fast allen Stadien der Schwangerschaft müssten nun umplanen.
Zudem kümmerten sich die Hebammen gerade um einen „geordneten Rückbau der bisherigen Schwangeren- und geburtshilflichen Versorgung“, einschließlich der juristischen Probleme, die sich dabei ergeben, berichtet Bothur. Denn nicht nur haben die Hebammen Dienstverträge mit dem St.-Marien-Hospital, die teilweise Kündigungsfristen von
bis zu einem Jahr haben, kündbar sechs Wochen zum Quartalsende. Auch untereinander haben die Freiberuflerinnen vertragliche Vereinbarungen, etwa getroffene Vertretungsregeln, denen nun die Grundlage entzogen wird.
Arbeit läuft weiter
„Nicht zuletzt müssen wir die laufende Schwangerschaftsbetreuung sowie den immer noch uneingeschränkt laufenden Kreißsaalbetrieb bis zur vom Krankenhausbetreiber vorgegebenen Schließung ohne Einschränkungen aufrechterhalten“, sagt Bothur.
„Daher arbeiten wir jetzt buchstäblich rund um die Uhr.“
Am Montag, 20. September, hatte die Geschäftsführung des St.-Marien-Hospitals Friesoythe mitgeteilt, dass der Kreißsaal Ende Oktober, also in nicht einmal sechs Wochen, geschlossen werde. Die Entscheidung war in der Vorwoche im Aufsichtsrat der St.-Marien-Stiftung gefallen. Als Hauptgrund für die Schließung wird der Fachkräftemangel angegeben.
Besonders Anästhesisten schrecke es ab, dass sie Bereitschaftsdienste für die Entbindungsstation machen müssten, hatten Geschäftsführer Bernd Wessels und Nadine Krefeld berichtet. Im Notfall müsse innerhalb von 20 Minuten ein Kaiserschnitt durchgeführt werden können. Das OP-Personal muss also den Bereitschaftsdienst im Krankenhaus verbringen. Auch belaste die Verantwortung speziell für das Leben von Neugeborenen die Mitarbeiter.
Wir arbeiten jetzt buchstäblich rund um die Uhr.
Heike Bothur Hebamme