Nordwest-Zeitung

Berliner Bezirk schätzte Wahlergebn­is

Immer mehr Pannen werden bekannt – Müssen die Hauptstädt­er erneut an die Urnen?

- Von Stefan Kruse Und Andreas Rabenstein

Berlin – Es begann mit Fotos von langen Warteschla­ngen vor Wahllokale­n schon am Sonntagvor­mittag. Seitdem kommen täglich neue Pannen ans Licht, die Landeswahl­leiterin ist inzwischen zurückgetr­eten – und viele Menschen rätseln, ob die Pannen-Wahlen von Berlin noch gültig sind oder wiederholt werden sollten. Die wichtigste­n Punkte zu einer unübersich­tlichen Lage.

Die Hauptprobl­eme

Vor manchen der 2257 Wahllokale in den 78 Wahlkreise­n zur Berliner Abgeordnet­enhauswahl mussten Wähler lange anstehen. Stimmzette­l fehlten zwischenze­itlich und mussten durch Boten gebracht werden. Zum Teil konnten Stimmen erst lange nach 18 Uhr abgegeben werden. An einigen Stellen erhielten Wähler Stimmzette­l aus anderen Wahlkreise­n,

die später als ungültig gewertet wurden. Auch die Auszählung lief nicht überall glatt, berichtete­n Wahlhelfer. Bis Mitte der Woche lagen aus mehreren Lokalen im Bezirk Charlotten­burg-Wilmersdor­f noch keine Ergebnisse vor, im Internet wurden einfach geschätzte Zahlen veröffentl­icht.

Die betroffene­n Lokale

Wie viele Wahllokale oder Wahlkreise betroffen waren, ist noch unklar. Die Bestandsau­fnahme dauerte am Donnerstag noch an. Am Montag hatte die Landeswahl­leitung von Problemen in etwa 100 Wahllokale­n gesprochen. Seitdem mehrten sich Berichte von Wählern und Wahlhelfer­n aus vielen Berliner Bezirken. Der Sender RBB berichtete am Mittwoch, in mindestens 99 Wahllokale­n seien auffällig viele Stimmzette­l ungültig gewesen. Es gehe um mindestens 13120 Stimmen bei allen Wahlgängen.

■ Die Ursachen Hauptprobl­em waren die gleichzeit­igen Wahlen zum Bundestag, zum Berliner Abgeordnet­enhaus, zu den Bezirkspar­lamenten sowie ein Volksentsc­heid. Dazu kamen Corona-Bedingunge­n und Absperrung­en wegen des BerlinMara­thons. Die Landeswahl­leitung hatte mehr als 400 zusätzlich­e Wahllokale eingericht­et und die Zahl der Wahlhelfer von rund 20 000 auf 34 000 erhöht. Offenbar brauchten aber viele Wähler für ihre sechs Kreuze auf fünf Stimmzette­ln mehr Zeit als erwartet.

Dass tagsüber Stimmzette­l fehlten, lag zum Teil daran, dass die Wahlvorstä­nde mehr Kartons als früher in ihr jeweiliges Wahllokal bringen mussten. Manche holten erst im Tagesverla­uf restliche Kartons nach. Andere Stimmzette­lKartons waren falsch beschrifte­t und wurden in falsche Wahllokale gebracht. Die Wahlleitun­g wusste früh davon, weil es schon beim Verschicke­n der Stimmzette­l an Briefwähle­r aufgefalle­n war. Sie wies alle Wahlvorstä­nde darauf hin. Die Warnung kam wohl nicht überall an. Zudem hatten viele der zusätzlich­en Helfer keine Vorerfahru­ng.

Die Verantwort­lichen

Über die Frage, wer für den Schlamasse­l verantwort­lich ist, wird kontrovers diskutiert. Unterm Strich hat die Landeswahl­leitung die Verantwort­ung für einen ordnungsge­mäßen Ablauf der Abstimmung­en. Landeswahl­leiterin Petra Michaelis stellte ihren Posten am Mittwoch wegen der „Umstände der Wahldurchf­ührung“zur Verfügung. Im Detail werden die Wahlen aber auf Ebene der Berliner Bezirke organisier­t, die jeweils vergleichb­ar mit Großstädte­n sind. Die wiederum verweisen auf schlechte Ausstattun­g – gerade personell – durch den Senat.

■ Die Konsequenz­en Bisher wird nicht davon ausgegange­n, dass die Bundestags­oder Abgeordnet­enhauswahl­en als Ganzes wiederholt werden müssen. In einzelnen Wahlkreise­n könnte aber eine Neuwahl erforderli­ch werden, wenn Unregelmäß­igkeiten sich „mandatsrel­evant“ausgewirkt haben wie bei knappen Ergebnisse­n.

Die Prüfung aller Ergebnisse in den Bezirken wird Zeit brauchen. Spätestens zur Sitzung des Landeswahl­ausschusse­s am 14. Oktober, auf der das endgültige Ergebnis festgestel­lt wird, dürfte mehr Klarheit herrschen. Dann erst wäre das Wahlergebn­is der Abgeordnet­enhauswahl anfechtbar. In diesem Fall müsste der Verfassung­sgerichtsh­of angerufen werden. Bei der Bundestags­wahl wäre es der Bundestag. Jedoch wies der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, Stephan Harbarth, darauf hin, dass nicht jeder Mangel eine Wahl ungültig mache.

 ?? Dpa-BILD: Gateau ?? Im Rathaus Pankow wurden die Stimmen zur Wahl fürs Berliner Abgeordnet­enhaus am Donnerstag neu ausgezählt. Dort war der Linke Klaus Lederer nur knapp der Grünen Oda Hassepaß unterlegen. Auch in anderen Bezirken müssen die Wahlergebn­isse mit einem Fragezeich­en versehen werden.
Dpa-BILD: Gateau Im Rathaus Pankow wurden die Stimmen zur Wahl fürs Berliner Abgeordnet­enhaus am Donnerstag neu ausgezählt. Dort war der Linke Klaus Lederer nur knapp der Grünen Oda Hassepaß unterlegen. Auch in anderen Bezirken müssen die Wahlergebn­isse mit einem Fragezeich­en versehen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany