Warum der Traum vom Haus oft unerfüllt bleibt
Selbst Gutverdiener sind häufig auf Hilfe aus der Familie angewiesen – Hauskäufer berichten von ihrer Suche
Oldenburg/Im Nordwesten – Ein Einfamilienhaus im Ammerland mit ihrem Namen am Klingelschild. Theresa* und Andreas können ihr Glück noch immer nicht fassen. Zwei Jahre lang war das Akademikerpaar auf der Suche danach. Zwischenzeitlich kam das erste Kind zur Welt. Dass ihre Suche doch noch zu einem glücklichen Ende führte, verdanken sie einem Zufall – und einem finanziellen Zuschuss der Eltern. Gut 400 000 Euro haben die beiden für ihr Haus bezahlt.
Theresa und Andreas teilen den Traum vieler Deutscher. Die Sehnsucht nach den eigenen vier Wänden wurzelt tief, das Einfamilienhaus gehört zum Idealbild der bürgerlichen Gesellschaft. Das Eigenheim vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Unabhängigkeit: Wer ein Haus besitzt, der hat es geschafft.
Die Preise kennen nur eine Richtung
Doch immer mehr schaffen es nicht. Das gilt besonders für die begehrten Lagen in Großstädten und ihrem Umland, wo die Nachfrage durch die Decke geht, das Angebot aber nicht mitwächst. Die Folge ist ein Preisrennen, in dem viele nicht mithalten können. Selbst Doppelverdiener. „Wir haben im Kreis Ammerland gesucht und schnell gemerkt, dass wir mit unserem Einkommen an die Grenze kommen“, sagt Theresa. Die Familie verfügt im Monat über rund 6000 Euro – und damit überdurchschnittlich viel.
Wenn schöne Häuser in guten Lagen auf den Markt kommen, müssen inzwischen auch Besserverdiener oft die Segel streichen. Fragt man
Sven Nesselrath, Leiter des Kompetenzcenters Immobilien bei der Oldenburgischen Landesbank (OLB), sollte man das Projekt Eigenheim allerdings nicht mit dem Blick auf das Angebot beginnen. „Bevor ich mich auf die Suche mache, muss ich mich fragen, wie viel Haus ich mir leisten kann“, sagt Nesselrath, der bei der OLB für den Raum Oldenburg, die Weser-Region sowie die Kreise Ammerland und Friesland zuständig ist. Er rechnet vor: Bei einer kleinen Familie aus dem Nordwesten sei ein durchschnittliches Einkommen von 4200 Euro realistisch. Damit sollten nicht mehr als 450 000 bis 500 000 Euro finanziert werden, um sich vor einer Überschuldung zu schützen.
300 000 Euro für eine Katze im Sack
Als er vor sechs Jahren damit begonnen hat, nach Immobilien in Oldenburg zu schauen, kamen Fahri* die teils renovierungsbedürftigen Gebäude zu teuer vor. Mehr als 300 000 Euro für eine Katze im Sack? Heute würde er sofort zuschlagen. In den vergangenen 20 Jahren sind die Immobilienpreise für private
Haushalte im Stadtgebiet um fast 52 Prozent gestiegen. Im Oldenburger Umland wurden Immobilien sogar um 81,3 Prozent teurer. Das weist der Obere Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Niedersachsen aus, unter anderem auf Basis der Kaufverträge.
2020 wurden für ein Baugrundstück im Oldenburger Stadtgebiet demnach im Schnitt 175000 Euro bezahlt. Der mittlere Kaufpreis für ein
Einfamilienhaus lag bei 370000 Euro. Im Ammerland kosteten Baugrundstücke im Mittel 86 000 Euro und gebrauchte Einfamilienhäuser 280 000 Euro. Als Andreas und Theresa von den offiziellen Werten hören, wechseln sie einen ungläubigen Blick. Sie haben Häuser für den doppelten Preis gesehen, die sofort verkauft wurden. Es war reiner Zufall, dass Theresa das Inserat für ihr Haus um drei hen“, sagt er. Wenn die Städte nicht gegensteuern, sagt Sven Nesselrath, dann zieht die Mittelschicht weg. Zurück bleiben die Armen, die Reichen – und ein soziales Ungleichgewicht.
Die Forscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sehen in Immobilien den Schlüssel zu einer gerechteren Verteilung von Vermögen. Stellschrauben machen sie bei der Besteuerung und bei Prämien für einkommensschwache Haushalte aus. Damit soll der Ersterwerb von Wohneigentum gefördert werden. Vielen Menschen fehlt dafür das nötige Eigenkapital.
Inserate sind oft nur wenige Stunden online
„Wichtig ist, sich frühzeitig mit der Finanzierung auseinanderzusetzen“, betont Sven Nesselrath. Denn wenn mal ein passendes Haus auf den Markt kommt, bleibt nicht viel Zeit. Manche Inserate sind schon nach wenigen Stunden wieder verschwunden. „Das meiste geht unter der Hand weg“, sagt Fahri. Die Hoffnung gibt er nicht auf: „Wer weiß: Vielleicht liest das jemand, der ein Haus zu verkaufen hat.“
* Namen auf Wunsch geändert.