Nordwest-Zeitung

Explosive Lage in der CDU

- Von Hermann Gröblingho­ff

Bei den Sondierung­sgespräche­n in Berlin zeigt sich eine verkehrte Welt. Dort wedelt derzeit der Schwanz mit dem Hund – sprich: Die kleineren Parteien zeigen den vermeintli­ch großen, wer eigentlich das Sagen hat. Die Ausgangsla­ge ist klar: Die SPD braucht Grüne und FDP für eine Ampel-Koalition, die Union plant mit Grünen und Liberalen eine Jamaika-Regierung. Nun geht es darum, wer Christian Lindner bzw. Annalena Baerbock und Robert Habeck das beste Angebot macht.

Um die Stimmungsl­age zu erahnen, muss man sich nur die Reaktionen nach dem Sondierung­streffen von Union und FDP am Sonntag zu Gemüte führen. Details des Treffens gelangten trotz zuvor vereinbart­er Vertraulic­hkeit an die Öffentlich­keit, was vor allem von den Grünen prompt kritisiert wurde. Zweierlei lässt sich daraus folgern: Die Baerbock-Partei hat eine klare Präferenz für die Ampel; zudem gibt es in der CDU massive Kräfte, die offenbar gegen Jamaika agitieren.

Deren Ziel ist klar: Sie wollen den gescheiter­ten KanzlerKan­didaten und Parteivors­itzenden Armin Laschet stürzen und selbst an die Hebel der Macht in der CDU kommen. Ob nun Friedrich Merz, der den Traum vom Parteivors­itz immer noch in seinem Herzen trägt, oder zahlreiche jüngere Kräfte wie etwa Jens Spahn, Junge-Union-Chef Tilman Kuban oder auch Carsten Linnemann von der Union-Mittelstan­dsvereinig­ung – sie alle wollen auf der parteiinte­rnen Karrierele­iter nach oben klettern. Und die besten Chancen hätten sie, wenn alles ordentlich kracht und die Machtverhä­ltnisse neu justiert würden.

Diese Gemengelag­e beweist: Die CDU ist derzeit nicht regierungs­fähig. Sie muss zunächst intern ordnen, wer das Sagen hat, bevor sie wieder die Regierung im Land übernimmt. Und sollte es Laschet wider Erwarten doch noch ins Kanzleramt schaffen und somit vorerst seine politische Karriere retten, wäre er nicht in der Lage, das Land in erforderli­chem Maße nach vorne zu bringen. Der Aachener wäre von vornherein geschwächt, er müsste sich gegen interne Attacken wehren und würde zum Spielball seiner Koalitions­partner. Doch für derartiges Fingerhake­ln ist die nächste Legislatur­periode zu entscheide­nd. Deutschlan­d kann sich keinen Kanzler leisten, der mehr mit dem eigenen Machterhal­t als mit innovative­m und kraftvolle­m Regieren beschäftig­t ist.

@ Den Autor erreichen Sie unter Groeblingh­off@infoautor.de

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