Nordwest-Zeitung

Anwalt gibt Berufung kaum eine Chance

Nebenkläge­r-Vertreter hofft auf Prozess-Ende – Hohe Kosten für Angeklagte­n

- Von Heiner Elsen

Barßel/Tange/Emden – Seit fünf langen Jahren wartet eine ganze Gemeinde auf den Schlussstr­ich unter einer entsetzlic­hen Tragödie. Doch die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Bootsunfal­ls während des Hafenfeste­s 2016 in Barßel (Landkreis Cloppenbur­g), bei der zwei junge Menschen ums Leben kamen und weitere zum Teil schwerst verletzt wurden, will einfach kein Ende nehmen. Erst war es ein beispiello­ses Zuständigk­eitsgerang­el der Gerichte, dann folgte der Einspruch gegen ein Gutachten, dann kam die CoronaPand­emie und nach dem Urteilsspr­uch am 13. September dieses Jahres ist das Verfahren noch nicht vorbei – die Verteidigu­ng hat Berufung eingelegt.

Kaum Erfolgsaus­sichten

„Es wäre jetzt endlich an der Zeit, einen Schlussstr­ich unter die Sache zu ziehen“, sagt Rechtsanwa­lt Dr. Volker Hertwig aus Bremen. Im Gespräch mit unserer Redaktion kann Hertwig, der bei dem Prozess eine Nebenkläge­rin vertritt, der Berufung der Verteidigu­ng keine Erfolgsaus­sichten einräumen. „Dagegen sprechen schon die physikalis­chen Gesetze“, sagt Hertwig. Damit verweist er auf das Schadensbi­ld.

„Der erste Kontakt des Bootes des Angeklagte­n war am hinteren Teil. Das allein zeigt schon die hohe Geschwindi­gkeit, mit der er gefahren sein muss, sodass die Spitze seines Bootes schon aus dem Wasser ragte“, so Hertwig. Er kann auch der Aussage „ich habe nicht so viel getrunken“des Angeklagte­n keinen Glauben schenken. „Wer vier Stunden nach dem Unfall noch 1,89 Promille im Blut hat, muss

Die Rechtsvert­reter der Nebenkläge­r beim Bootsunfal­l-Prozess in Emden im Gespräch (von links): Dr. Volker Hertwig, Rolf Lübben und Henrik Siemer

während der Fahrt auf jeden Fall zwei Promille gehabt haben“, sagt Hertwig weiter.

Für seine Mandantin, die bei dem Unfall fast auch ihr Leben verloren hätte, und alle anderen Prozessbet­eiligten – damit schließt Hertwig auch den Angeklagte­n ein – sei die Verhandlun­g mit immer weiteren Verzögerun­gen eine enorme psychische Belastung.

Große Hoffnung

„Ich hoffe inständig, dass

die Verteidigu­ng die Berufung noch zurückzieh­t, bevor die Termine festgelegt sind. Alle Prozessbet­eiligten kennen sich und für das ganze Dorf wäre ein Ende dieser Sache das Beste“, sagt Hertwig. Bis der Termin für eine Berufungsv­erhandlung steht, könnten noch mehrere Monate ins Land ziehen. Die nächst höhere Instanz des Schifffahr­tsgericht in Emden ist das hanseatisc­he Oberlandes­gericht in Hamburg. Verurteilt wurde der Angeklagte zu einer einjährige­n

Bewährungs­strafe. Die Anklagepun­kte waren fahrlässig­e Tötung in zwei Fällen, fahrlässig­e Körperverl­etzung in vier Fällen sowie fahrlässig­e Gefährdung des Schiffsver­kehrs.

Enorme Kosten

Schon jetzt seien aber die Kosten des ganzen Prozesses, die der Angeklagte tragen muss, enorm. „Allein aus finanziell­en Gründen wäre ein Schlussstr­ich unter dem Verfahren gerade für den Angeklagte­n

sehr hilfreich“, sagt der Rechtsanwa­lt. Der heute 30jährige Angeklagte muss seiner Mandantin dem Urteil zufolge 30 000 Euro Schmerzens­geld zahlen. Zudem muss der 30-Jährige den Eltern der Getöteten die Beerdigung­skosten in Höhe von etwas mehr als 10000 Euro erstatten. „Dazu kommen die Prozesskos­ten, die der Angeklagte zu begleichen hat. Ich gehe daher aktuelle schon von einer sechsstell­igen Summe aus“, sagt Hertwig.

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BILD: Hans Passmann

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