Dramatische Szenen des Verfalls
Warum Armin Laschet und Markus Söder im Dauerclinch liegen
Der eine treibt, Markus Söder (CSU), der andere wird getrieben, Armin Laschet (CDU). „Wir sind nie vor die Welle gekommen“, gesteht einer aus Laschets Umfeld. Jüngstes Beispiel: Nach dem Aus für die Jamaika-Sondierungen erklärte Söder das Projekt für gescheitert, während Laschet den Strohhalm nicht loslassen wollte – falls die Ampel nicht klappt. Eine Szene des Verfalls. Was ist da schiefgelaufen? Eine Übersicht.
■ Die Charaktere
Laschet hat eine für die Politik extrem wichtige Fähigkeit: Stehvermögen. Alles scheint an ihm abzuperlen. Er ist eher ein Polit-Softie, sucht den Ausgleich. Wenn nun behauptet wird, er ignoriere alles um ihn herum, so ist das nicht die ganze Wahrheit: Der NRWMann macht sich dem Vernehmen nach mit Blick auf die Kanzlerschaft keine großen Illusionen. Aber er will nichts unversucht lassen. Und solange eine neue Koalition nicht steht, können die Konkurrenten schwerlich gegen ihn putschen. Demgegenüber ist Söder ein Polit-Macho. Keine Selbstzweifel, enormer Machtinstinkt.
Wie meinte Ex-CSUChef Horst Seehofer einmal über seinen Nachfolger: Er, Söder, sei für jede „Schmutzelei“zu haben. Wenn also Florett (Laschet) auf Säbel (Söder) trifft, geht das selten gut.
■ Die Corona-Krise
Söder präsentierte sich stets wie der Held der Stunde. Team Vorsicht. Er reagierte schnell, richtete sich immer wieder mit bedachten Worten an die Öffentlichkeit. Seine Erfolgsbilanz im Kampf gegen Corona ist deshalb nicht besser als die der anderen Ministerpräsidenten. Aber die Taktik verfing, beflügelte seinen Aufschwung in den Umfragen und seine Überzeugung, womöglich Angela Merkel beerben zu können. In der Corona-Krise begann er mit seinen Sticheleien gegen Laschet, gegen das Team Öffnung. Laschets Kurs war freilich eher zögerlich, er verkaufte ihn verbal umständlich. Der unterschiedliche Umgang mit Corona wies schon darauf hin, dass Laschet und Söder viel mehr trennt als eint.
■ Die KAnzlerkandidatur
Der endgültige Bruch vollzog sich wohl in der Nacht zum 19. April. Laschet wollte nicht zurückstecken, kräftig unterstützt von den CDU-Granden Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier. „Mit dir verlieren wir die Wahl“, soll er dem CSUChef entgegengeschleudert haben. Söder begriff: Laschet wird nicht klein beigeben – und ließ sich später von seinem Generalsekretär Markus Blume zum „Kandidat der Herzen“ausrufen. Er hielt sich weiter für den besseren Kanzleranwärter, was Söder und seine Getreuen fortan bei jeder Gelegenheit deutlich machten. Laschet nahm das hin. Intern soll er die Losung ausgegeben haben, nicht ähnlich unsauber zu agieren.
■ Der Wahlkampf
Es lief aber auch alles schief in der Kampagne der Union. Laschets Lacher im Flutgebiet markierte den Anfang vom Ende, den Höhepunkt vieler Fehler. Verkorkste Termine, ein Kandidat, der selten pünktlich kam – und der auch Söder warten ließ. Wie beim PR-Bratwurstessen in Nürnberg. In München ätzte man, es gebe Schwächen „bei Kurs und Kandidat“. Söder selbst sprach von einem „Schlafwagenwahlkampf“. Plakatiert wurde Laschet im Freistaat kaum. So etwas wie ein Team wurden die beiden Parteivorsitzenden
nach außen im Endspurt des Wahlkampfes, als sie eine Linksrutsch an die Wand malten. Das zahlte sich auch aus. Intern bestimmten da aber schon lange Misstrauen und Frust das Miteinander.
■ Die KAnzlerin
Angela Merkel tauchte im Wahlkampf ab. Schützenhilfe erhielt Laschet erst zum Ende, als die Kanzlerin im Bundestag für ihn warb und wenige Veranstaltungen mit ihm absolvierte. Es war eher eine verzweifelte Hilfe. Während der Corona-Krise fuhr Merkel Laschet in die Parade. Sie kritisierte ihn in einer Talkshow Ende März wegen seines Umgangs mit der Corona-Notbremse. Aus Bayern meldete sich prompt Markus Söder. Er finde es „sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet“. Nach den Ministerpräsidentenkonferenzen lobte Söder stets seinen Gleichschritt mit der Kanzlerin im Kampf gegen Corona. Er sah in Merkel seine Verbündete. Das Laschet-Lager litt hingen darunter, dass die Kanzlerin nie überzeugt von ihrem möglichen Nachfolger wirkte. Zumindest tat sie lange nichts, um für einen gegenteiligen Eindruck zu sorgen.