Wo Einigkeit herrscht und wo nicht
Vor einer möglichen Koalition sind so einige inhaltliche Knackpunkte zu klären
Berlin – Elf Tage nach der Bundestagswahl haben SPD, Grüne und FDP an diesem Donnerstag erstmals gemeinsam besprochen, ob eine sogenannte Ampel-Koalition möglich sein könnte. Sollten sich die Parteien am Ende für Koalitionsgespräche entscheiden, dürfte es in einigen Bereichen allerdings zu harten Verhandlungen kommen, anderswo sind die Hürden weniger hoch. Eine Auswahl einiger Themen.
■ STEUERN
Ein großer Knackpunkt, denn hier prallen politische Grundüberzeugungen aufeinander: SPD und Grüne wollen hohe Einkommen und Vermögen stärker belasten, nach dem Prinzip „stärkere Schultern tragen mehr“, damit Geld für diejenigen da ist, die wenig haben. Für die FDP sind Steuererhöhungen und Umverteilung aber rote Linien. Man könne nicht immer nur verteilen, der Wohlstand im Land müsse erst mal erwirtschaftet werden, sagte Parteichef Christian Lindner, der gerne Finanzminister werden würde, im Wahlkampf. Die FDP will für alle Einkommensgruppen und Unternehmen Steuern senken.
■ SOLIDARITÄTSZUSCHLAG
Der Soli, den inzwischen nur noch Spitzenverdiener zahlen müssen, soll nach dem Willen der FDP zügig komplett abgeschafft werden. Die SPD ist jedoch dagegen. Der Soli, wie er jetzt ist, werde noch gebraucht und sei „ein gerechter Beitrag zu einem stabilen Gemeinwesen, das allen nutzt“, argumentiert sie. Kompromissmöglichkeit für die Ampel-Verhandler hierbei: Sie könnten das Thema vertagen, denn irgendwann wird es sowieso eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber geben, ob der Soli bleiben darf oder nicht.
■ SCHULDENBREMSE
Bund und Länder sollen ihre Ausgaben in der Regel ohne Kredite bestreiten. Das ist im Grundgesetz verankert und wird als „Schuldenbremse“bezeichnet. Die Grünen sind für eine Aufweichung, um massive Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur zu ermöglichen. Die FDP ist gegen eine Aufweichung und bei dem Thema auch leicht im Vorteil: Eine Reform hieße, das Grundgesetz zu ändern.
Das geht nur mit Zwei-DrittelMehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Solche Mehrheiten lassen sich nur sehr schwer organisieren.
■ KLIMA
Hier wird es wohl knirschen: Zwar sind sich alle einig, dass beim Klimaschutz deutlich mehr passieren muss, aber wie beim Thema Steuern gibt es im Grundsatz große Unterschiede. Die Grünen wollen
klare Vorgaben durch den Staat: ab 2030 nur noch Zulassung von emissionsfreien Autos, eine Solaranlagenpflicht für Dächer, eine schnellere Anhebung des CO2-Preises im Verkehr- und Wärmebereich und einen schnelleren Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung. Die FDP lehnt zu viel staatliche Regulierung ab und setzt eher auf neue Technologien, Anreize und eine Ausweitung des europäischen
Emissionshandels. Einig sind sich alle, dass der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne beschleunigt werden und es dafür schnellere Planungsverfahren geben muss.
■ MINDESTLOHN
Der Wahlkampfschlager von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Er hatte eine Anhebung auf zwölf Euro schon im nächsten Jahr versprochen und sogar zur Bedingung für eine Koalition erklärt. Dahinter kann Scholz nicht zurück. Auch die Grünen sind für den Betrag. Lindner hatte darauf verwiesen, dass der Mindestlohn Sache einer unabhängigen Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften sei. An dem Thema dürfte eine Ampel eher nicht scheitern. Dafür wird Scholz der FDP an anderer Stelle etwas anbieten müssen.
■ TEMPOLIMIT
SPD und Grüne sind für Tempo 130 auf Autobahnen. Argumentiert wird vor allem mit der Verkehrssicherheit. Der Klimaschutzeffekt käme als Bonus dazu. Die FDP lehnt ein Tempolimit als „Symbolpolitik“ab. Offen ist, wie sehr das Thema zum Knackpunkt in den Gesprächen wird. GrünenFraktionschef Anton Hofreiter hatte zuletzt auch Gesprächsbereitschaft signalisiert.
■ DIGITALISIERUNG
Hier könnten sich die Beteiligten schnell einigen. Die Digitalisierung in Verwaltung und Schulen voranbringen und in Bildung investieren, dafür sind alle Parteien. Grüne und FDP verstehen es als Auftrag, da sie bei der Wahl bei jungen Leuten gut abgeschnitten haben. Die FDP hat die Digitalisierung schon lange zu ihrem Topthema gemacht. Auch die Grünen wollen das Thema vorantreiben, auch weil digitale Lösungen einen Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen liefern könnten.