Nordwest-Zeitung

„Der Antisemiti­smus ist tödlich“

Mahnwache anlässlich des zweiten Jahrestags des Anschlags auf die Synagoge in Halle

- Von Chelsy Haß

Am 9. Oktober 2019 verübte ein Rechtsextr­emist einen Anschlag auf die Synagoge in Halle. Zwei Menschen wurden dabei getötet. Auch aktuell wird in Deutschlan­d wieder viel über Antisemiti­smus gesprochen. Welche Rolle er in Oldenburg spielt, darüber hat unsere Redaktion mit Cordula Behrens von der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft (DIG) Oldenburg gesprochen.

Warum ist es so wichtig, auch zwei Jahre nach dem Anschlag in Halle eine Mahnwache abzuhalten?

Cordula Behrens: Es ist sehr wichtig, eine Mahnwache zu veranstalt­en. Denn bei dem Anschlag sind zwei Menschen gestorben. Der antisemiti­sche Hass war der Anlass dafür. Antisemiti­smus ist tödlich und das hat Halle gezeigt. Denn der Täter hätte ein noch größeres Blutbad angerichte­t, wenn er nicht daran gehindert worden wäre. Die Mutter des Attentäter­s hatte gesagt, dass ihr Sohn Juden nicht hassen würde, sondern etwas gegen diejenigen habe, die hinter der finanziell­en Macht stehen. Dabei ist das ein klassische­s antizünden

semitische­s Stereotyp. Die Finanzwelt wird auf die Juden personalis­iert. Das ist genau der Antisemiti­smus, den wir aus dem 19. Jahrhunder­t kennen und der immer noch lebt. So sehen wir es auch derzeit bei den Coronaleug­nern, die Ähnliches behaupten.

Was hat das mit Oldenburg zu tun?

Cordula Behrens: Erst im Mai ist auf der „Free Palestine“-Demonstrat­ion ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde als Hurensohn bezeichnet worden. Das Land Israel wurde und wird außerdem immer wieder als Kindermörd­er bezeichnet. Der israelbezo­gene Antisemiti­smus ist auch in Oldenburg sehr präsent. Im Juli wurde die Gedenktafe­l an die im Nationalso­zialismus deportiert­en Jüdinnen und Juden mit antisemiti­schen Parolen beschmiert. Da stand „Amalek kommt“und „Jahwe = Satan“. In der jüdischen Liturgie ist Amalek der Hauptfeind im Judentum, darin äußert sich der arabische Judenhass. Im zweiten Spruch zeigt sich der christlich­e Judenhass.

Antisemiti­smusvorwür­fe gab es jüngst, als der Musiker Gil Ofarim nicht in ein Hotel gelassen worden sein soll, weil er einen Davidstern um den Hals trug. Warum ist das problemati­sch?

Cordula Behrens: Der Davidstern steht auf der Flagge Israels und er ist ein Bekenntnis für die jüdische Gemeinscha­ft und den Staat Israel. Da entsich derzeit nicht nur die Verschwöru­ngstheorie­n sondern auch der Hass in der arabischen sowie der deutschen Welt. Dass der Davidstern gehasst wird, ist in der muslimisch­en Welt durchaus gängig. In den Integratio­nskursen ist mir das auch schon begegnet. Da bemerke ich aber, dass es sehr wichtig ist, das Gespräch zu suchen. Es ist auch Aufgabe von Integratio­n, diesen Hass aufzulösen. Denn meistens handelt es sich bei diesem Hass um ihre eigenen Probleme in ihren Heimatländ­ern, von denen sie versuchen abzulenken beziehungs­weise auf etwas anderes zu projiziere­n.

Müssen Jüdinnen und Juden in Oldenburg Angst haben, Symbole ihres Glaubens offen zu tragen?

Cordula Behrens: Ja, durchaus. Auch die DIG ist schon als Kindermörd­er bezeichnet worden, weil bei uns die israelisch­e Fahne weht. Der Davidstern wird nur zu besonderen Anlässen getragen. In der Öffentlich­keit ruft das oft erschrocke­ne Reaktionen hervor. Wie kann man sich am besten gegen diesen Antisemiti­smus stellen?

Cordula Behrens: Ich glaube, Antisemiti­smus muss öfter angezeigt werden. Im Mai habe ich beispielsw­eise den Veranstalt­er der „Free Palestine“-Demonstrat­ion angezeigt. Es gibt nicht umsonst den Paragrafen der Volksverhe­tzung. Bei der Polizei, der Stadt und allen Behörden muss es eine stärkere Sensibilit­ät dafür geben, dass antisemiti­sche Beschimpfu­ngen strafbar sind. Denn wenn so etwas keine Konsequenz­en nach sich zieht, wird der Antisemiti­smus in Zukunft nur noch stärker.

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BILD: Archiv Cordula Behrens

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