Versöhnungspolitik statt Konfrontation
Vor 50 Jahren wurde Willy Brandt für seine Ostpolitik mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet
Bonn – Es ist eine denkwürdige Bundestagssitzung an jenem 20. Oktober 1971 – vor 50 Jahren. Bundestagspräsident KaiUwe von Hassel unterbricht die Haushaltsdebatte und teilt dem in Bonn tagenden Hohen Haus im nüchternen Tonfall mit, soeben sei bekannt geworden, dass die Nobelpreiskommission Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) den Friedensnobelpreis zugesprochen habe.
Während sich die SPD- und FDP-Abgeordneten sowie die Minister von ihren Plätzen erheben, um ihrem Kanzler die Ehre zu erweisen, bleiben die Unionsabgeordneten sitzen.
Brandt selbst wirkt wie versteinert und reagiert erst nach einigem Zögern. Das sei typisch für ihn gewesen, erinnert sich seine damalige Frau Rut später: „Wenn ihn etwas sehr bewegte, wollte er es nicht zeigen.“Möglich, dass Brandt in diesem Moment auch an die erbitterten Auseinandersetzungen dachte, die sich die sozial-liberale Koalition mit der Union über jene Ostpolitik lieferte, für die der Kanzler damals als vierter Deutscher den Friedensnobelpreis erhielt.
Brandt, in der Nazizeit Emigrant und 1969 als erster Sozialdemokrat seit 1930 zum Regierungschef in Deutschland gewählt, polarisierte. Seiund
Aase Lionaes überreichte Bundeskanzler Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
ne „Neue Ostpolitik“bestimmte die Innenpolitik der Bundesrepublik zu Beginn der 70er Jahre. Nach dem Motto
„Wandel durch Annäherung“versuchte die Regierung Brandt/Scheel, die Beziehungen zur Sowjetunion, zu Polen
zur DDR zu verbessern – und dabei auch bislang scheinbar unverrückbare Rechtspositionen zu räumen und möglicherweise die polnische Westgrenze und damit deutsche Gebietsverluste im Osten anzuerkennen.
In der Begründung des Nobel-Komitees hieß es, Brandt habe „als Chef der westdeutschen Regierung und im Namen des deutschen Volkes die Hand zu einer Versöhnungspolitik zwischen alten Feindländern ausgestreckt“. In einer programmatischen Rede in Oslo zog Brandt eine Bilanz der 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der OstWest-Konflikt habe viele Kräfte gebunden. Friede sei „mehr als Abwesenheit von Krieg“.
Erneut warb Brandt für eine „aktive Koexistenz-Politik“der beiden Blöcke, die „weder von Furcht noch von Vertrauensseligkeit getragen sein“dürfe. Um „ein Gebäude des Friedens zu errichten“, umriss der Kanzler sieben Elemente „eines möglichen europäischen Friedenspakts“: von einem „Gleichgewicht zwischen den Staaten und Staatengruppen“, über „spezielle Vereinbarungen über Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle“bis hin zur Entwicklung neuer „Formen der wirtschaftlichen und technisch-wissenschaftlichen Zusammenarbeit“und einem Ausbau einer „gesamteuropäischen Infrastruktur“.