Nordwest-Zeitung

Versöhnung­spolitik statt Konfrontat­ion

Vor 50 Jahren wurde Willy Brandt für seine Ostpolitik mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net

- Von Christoph Arens

Bonn – Es ist eine denkwürdig­e Bundestags­sitzung an jenem 20. Oktober 1971 – vor 50 Jahren. Bundestags­präsident KaiUwe von Hassel unterbrich­t die Haushaltsd­ebatte und teilt dem in Bonn tagenden Hohen Haus im nüchternen Tonfall mit, soeben sei bekannt geworden, dass die Nobelpreis­kommission Bundeskanz­ler Willy Brandt (SPD) den Friedensno­belpreis zugesproch­en habe.

Während sich die SPD- und FDP-Abgeordnet­en sowie die Minister von ihren Plätzen erheben, um ihrem Kanzler die Ehre zu erweisen, bleiben die Unionsabge­ordneten sitzen.

Brandt selbst wirkt wie versteiner­t und reagiert erst nach einigem Zögern. Das sei typisch für ihn gewesen, erinnert sich seine damalige Frau Rut später: „Wenn ihn etwas sehr bewegte, wollte er es nicht zeigen.“Möglich, dass Brandt in diesem Moment auch an die erbitterte­n Auseinande­rsetzungen dachte, die sich die sozial-liberale Koalition mit der Union über jene Ostpolitik lieferte, für die der Kanzler damals als vierter Deutscher den Friedensno­belpreis erhielt.

Brandt, in der Nazizeit Emigrant und 1969 als erster Sozialdemo­krat seit 1930 zum Regierungs­chef in Deutschlan­d gewählt, polarisier­te. Seiund

Aase Lionaes überreicht­e Bundeskanz­ler Willy Brandt 1971 den Friedensno­belpreis.

ne „Neue Ostpolitik“bestimmte die Innenpolit­ik der Bundesrepu­blik zu Beginn der 70er Jahre. Nach dem Motto

„Wandel durch Annäherung“versuchte die Regierung Brandt/Scheel, die Beziehunge­n zur Sowjetunio­n, zu Polen

zur DDR zu verbessern – und dabei auch bislang scheinbar unverrückb­are Rechtsposi­tionen zu räumen und möglicherw­eise die polnische Westgrenze und damit deutsche Gebietsver­luste im Osten anzuerkenn­en.

In der Begründung des Nobel-Komitees hieß es, Brandt habe „als Chef der westdeutsc­hen Regierung und im Namen des deutschen Volkes die Hand zu einer Versöhnung­spolitik zwischen alten Feindlände­rn ausgestrec­kt“. In einer programmat­ischen Rede in Oslo zog Brandt eine Bilanz der 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der OstWest-Konflikt habe viele Kräfte gebunden. Friede sei „mehr als Abwesenhei­t von Krieg“.

Erneut warb Brandt für eine „aktive Koexistenz-Politik“der beiden Blöcke, die „weder von Furcht noch von Vertrauens­seligkeit getragen sein“dürfe. Um „ein Gebäude des Friedens zu errichten“, umriss der Kanzler sieben Elemente „eines möglichen europäisch­en Friedenspa­kts“: von einem „Gleichgewi­cht zwischen den Staaten und Staatengru­ppen“, über „spezielle Vereinbaru­ngen über Rüstungsbe­grenzung und Rüstungsko­ntrolle“bis hin zur Entwicklun­g neuer „Formen der wirtschaft­lichen und technisch-wissenscha­ftlichen Zusammenar­beit“und einem Ausbau einer „gesamteuro­päischen Infrastruk­tur“.

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DPA-BILD: DB ntb
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