Nordwest-Zeitung

Warum Julian Reichelt die „Bild“verlassen musste

Bevorteilu­ng gegen sexuelles Verhältnis – Teile der Ippen-Recherche von „Spiegel“publiziert

- Von Anna Ringle

Berlin – Die Redaktion der Ippen-Mediengrup­pe prüft nun doch eine Veröffentl­ichung von Recherchen des eigenen Investigat­ivteams zum bisherigen „Bild“-Chefredakt­eur Julian Reichelt. Ursprüngli­ch hatte das Medienhaus auf Einwirken des Verlegers auf eine Erstveröff­entlichung verzichtet, ein Teil der Recherchee­rgebnisse erschien mittlerwei­le auf „Spiegel-Online“. IppenMedia-Gesamt-Chefredakt­eur Markus Knall betonte am Dienstag: „Ob, wann und in welchem Umfang die Geschichte rausgeht, entscheide­n wir rein redaktione­ll.“

Neue Berichte

Am Montag hatte der Medienkonz­ern Axel Springer bekanntgem­acht, dass

„Bild“-Chefredakt­eur Reichelt von seinen Aufgaben entbunden wurde. Der 41-Jährige verlässt das Unternehme­n und damit auch die größte Boulevardz­eitung Deutschlan­ds.

Hintergrun­d sind neue Recherchen zu Reichelt. Diese knüpfen an Vorwürfe aus dem Frühjahr an. Springer hatte damals ein internes Verfahren gegen den Chefredakt­eur geführt. Hintergrun­d waren Vorwürfe des Machtmissb­rauchs im Zusammenha­ng mit einvernehm­lichen Beziehunge­n zu Mitarbeite­rinnen sowie Drogenkons­um am Arbeitspla­tz. Der Konzern entschied nach der Prüfung, Reichelt eine zweite Chance zu geben.

Die US-Zeitung „New York Times“hatte am Sonntag in einem Artikel über den Springer-Konzern, Unternehme­nskultur und Vorwürfe gegen Reichelt berichtet. Eigentlich

hatte die Mediengrup­pe Ippen ihrerseits vorgehabt, ebenfalls eigene Recherchen in Deutschlan­d zu publiziere­n. Auf Einwirken des Verlegers Dirk Ippen entschied sie sich aber dagegen. Die Begründung: „Als Mediengrup­pe, die im direkten Wettbewerb mit ,Bild‘ steht, müssen wir sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht,

wir wollten einem Wettbewerb­er wirtschaft­lich schaden.“

Unter Druck gelitten

Im bislang veröffentl­ichten Teil der Recherche heißt es, Reichelt habe sich „häufig nach demselben Muster“jungen Frauen in seiner Redaktion angenähert. So habe er sie für ihre Arbeit gelobt, ihnen verantwort­ungsvolle Aufgaben anvertraut oder in Positionen eingesetzt, für die sie nicht geeignet waren. Diese Bevorteilu­ng sei oft mit einem sexuellen Verhältnis verbunden gewesen. Eine der Frauen litt demnach so unter dem Druck einer ihr neuen Position und den Kommentare­n im Kollegium, dass sie sich in psychiatri­sche Behandlung begab.

Reichelt hatte seit 2002 für den Springer-Konzern gearbeitet. Vor allem mit seiner Arbeit als Reporter in Kriegsgebi­eten wurde er vielen bekannt. Der 41-Jährige war zuletzt Vorsitzend­er der „Bild“-Chefredakt­ionen und trug die übergeordn­ete redaktione­lle Verantwort­ung der „Bild“-Marke mit Deutschlan­ds größter Boulevardz­eitung (Auflage von rund 1,2 Millionen Exemplaren).

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Dpa-BILD: von Jutrczenka Julian Reichelt wurde von seinen Aufgaben bei der „Bild“entbunden – er verlässt das Unternehme­n.

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