Zeit der Floskeln und Phrasen
Wahlzeiten sind Zeiten großer Phrasen. Wohl zu keiner anderen Zeit produzieren Politiker so viele leere Worthülsen am Fließband. Das war vor und nach dieser Bundestagswahl nicht anders. Der unumstrittene König der Phrasendrescher ist/war ohne Zweifel Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, wenngleich viele seiner Kollegen findungsreich versuchten, ihn noch zu übertreffen.
Die herbe Wahlniederlage führte offenbar bei zahlreichen CDU-Mitgliedern zu immer fantasievolleren Leerformeln. Es sei wichtig, „Gegensätze zu versöhnen, zu einer Gemeinsamkeit zu kommen“, bilanzierte CDU-Chef Laschet das verheerende Wahlergebnis. So könnte ohne Weiteres auch ein Sieger klingen, was Laschet wohl auch selbst so empfunden haben mag, als er zu folgendem Schluss kam: „Die CDU steht weiter für Jamaika bereit“, womit er das Bündnis Union/FDP/Grüne meinte. Jamaika sei, so Laschet weiter, die „Chance für einen echten Aufbruch in unserem Land“, es sei ein „ambitioniertes Modernisierungsbündnis mit breiter gesellschaftlicher Verankerung“. Ein langer Satz ohne wirklichen Inhalt.
In einem anderen Universum
Für nicht eingeweihte Außenstehende klingen so Wahlgewinner, so spricht ein wahrscheinlicher Kanzler einer neuen Bundesregierung. Er wolle mit neuem Elan einen Beitrag leisten zur Zukunft des Landes. Wirklich verstanden hat ihn keiner, man musste glauben, Laschet lebte da in einem anderen Universum.
Inzwischen hat auch Laschet die Wahlniederlage vor der Jungen Union eingestanden, persönliche Folgen scheinen bei ihm angekommen zu sein. Den Traum vom Kanzleramt kann er aufgeben, den Parteivorsitz ebenso. Den Ministerpräsidenten-Posten in Nordrhein-Westfalen hatte er schon vor den Wahlen mit Blick auf den zu erwarteten Wahlsieg voreilig zurückgegeben und seinem Parteifreund Hendrik Josef Wüst überlassen. Das Fell des Bären zu verkaufen, bevor er erlegt wurde, ist auch so eine Phrase, die allerdings den Nachteil hat, dass sie allzu häufig zutrifft und vor allem Politiker auf dem falschen Fuß erwischt.
Auch Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war beim munteren Phrasendreschen dabei. Bei der Jungen Union hörte sich das so an: „Wir haben an vielen Stellen ein Klima des Misstrauens und eine Krise des Zusammenhalts.“Er antwortete auf die Frage, ob er denn nun nach dem vakant werdenden CDU-Parteivorsitz strebe, mit folgendem, nur für gekonnte Phrasen-Leser verständlichen Satz: Er habe „Interesse daran, dass wir in Deutschland eine stabile Regierung bekommen“und „gleichzeitig die Partei sich erneuert“. Heißt eigentlich: Vielleicht klappt es erstaunlicherweise ja doch mit Jamaika, dann bin ich dabei, und wenn nicht, dann natürlich auch, wenn die Parteipöstchen neu verteilt werden. Bei der Jungen Union wagte er sich weiter aus der Versenkung: „Ich habe Lust darauf, die neue CDU zu gestalten.“Na bitte, geht doch…
Julia Klöckner, noch amtierende Landwirtschaftsministerin (CDU), wird auch zu den Wahlverlierern gehören. Man muss sie nicht unbedingt als herausragende Landwirtschaftsspezialistin beschreiben, aber was Wahlniederlagen sind, hat sie kapiert: „Wir wollen die kommenden Wochen für die Neuaufstellung nutzen, um unsere Basis breit einzubinden und die neue Führung mit einem starken Votum für die Zukunft auszustatten.“Heißt: Nach diesem Mist lasst die CDU-Mitglieder wählen! Die wissen zwar nicht, was und wen genau sie wählen sollen, und auch nicht, was das am Ende bedeutet. Um Inhalte ging es in der Partei nach der Niederlage ja bisher nicht.
Dieses Schwurbeln an konkreten Aussagen vorbei beherrschen fast alle Politiker, was im Wesentlichen damit erklärt werden kann, dass Phrasen sehr hilfreich sind, wenn es darum geht, Defizite zu verschleiern. Läuft im eigenen Verantwortungsbereich etwas schief, versprechen sie „lückenlose Aufklärung und schonungslose Aufarbeitung ohne Rücksicht auf Personen“, wobei es ihnen in Wahrheit um die Vermeidung persönlicher Verantwortung geht, die oft das Ende der politischen Karriere bedeutet. Was nicht unbedingt heißt, dass wir damit ihren sozialen Abstieg befürchten müssen, der lukrative Lobbyisten-Weg liegt schließlich direkt nebenan.
In die Empörungsspirale
Hinzu kommt, dass leere Worthülsen und Floskeln helfen, alle möglichen Optionen möglichst lange offen zu halten. Je vager sie sind, umso weniger kann man später dafür haftbar gemacht werden. Wenn also Armin Laschet „die Wirtschaft entfesseln“will, heißt das im Prinzip erst mal gar nichts. Er kann sicher sein, auch künftig nicht festgenagelt zu werden.
Einer der Gründe, warum Politiker die „klare Kante“vermeiden, sind wir selbst, die Medien. Allzu rasch geraten Politiker schon durch ein Lachen an falscher Stelle in die Empörungsspirale, die durch die sozialen Medien noch verstärkt wird. Ein wenig Gelassenheit würde sicher weiterhelfen, Politikern insgesamt mehr Mut zu gönnen. Es würde vor allem der Wahrheit und Wahrhaftigkeit dienen.
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