Junglandwirtin mit Leib und Seele
Jantje Reitsma hofft auf eine planbare Zukunft für den Hof
Varel/Rothenhahn – Wenn Jantje Reitsma von ihrem Arbeitstag erzählt, kommt die Freude und Lebendigkeit an ihrem Beruf durch. Ihr Arbeitsbeginn ist um fünf Uhr im Stall. „Ich freue mich frühmorgens auf das Melken. Die Kühe vermitteln eine gute Stimmung und geben einem viel Zuversicht“, erzählt die 25Jährige. Gemeinsam mit Vater Pieter (58) müssen rund 180 Kühe gemolken werden. Wenn die ersten Kühe durch sind, kommt Mama Ina mit einem Heißgetränk: „Wir trinken dann den ersten Tee im Melkstand – das ist eine gute Sitte“, berichtet Jantje von der kurzen Pause. Während sie wieder ans Melken geht, füttert Ina die Kälber und Pieter die Kühe. Dieser Arbeitsablauf habe sich gut eingebürgert. Gegen acht Uhr etwa seien sie mit dem Melken und dem Saubermachen der Melkanlage durch und alle Kühe und Kälber versorgt. „Dann frühstücken wir und besprechen den Tagesablauf, welche Arbeiten anliegen und wer welche Tätigkeit übernimmt“, so die Landwirtschaftsmeisterin.
Das Fahren mit großen Maschinen gehört für Landwirtschaftsmeisterin Jantje Reitsma zu den vielen Aufgaben auf dem Hof.
Tagesbesprechung beim Frühstück
Die Tätigkeiten seien saisonal verschieden, es können Arbeiten im Stall oder auf dem Feld sein wie beispielsweise Tiere umweiden oder – wie vor zwei Wochen – Mais häckseln. Gülle fahren, Gras mähen oder irgendwelche Bau- und Reparaturmaßnahmen
gehören je nach Saison dazu. Arbeit gibt es reichlich. „Manchmal ändert sich auch der Tagesplan – da müssen wir oft Prioritäten setzen.“
Zum Aufgabengebiet von Jantje gehört auch die Besamung: „Ich bin Eigenstandsbesamerin und darf unsere Kühe besamen“, berichtet die Junglandwirtin von einer Zusatzausbildung, die Zeit spare und jederzeit kurzfristig ausgeführt werden könne. Auch als Klauenpflegerin ist die Hofnachfolgerin geschult: „Die Kuh- und allgemeine Tiergesundheit und die Behandlung der Tiere liegt mir sehr am Herzen“, beschreibt sie die Pflege. „Jantje kennt so gut wie alle Kühe“, erzählt die 55-jährige Ina Reitsma.
Um zwölf Uhr ist Mittagessen. Nach einer kurzen Mittagspause geht die Arbeit weiter, bevor um 15 Uhr Teepause ist und ab 15.30 Uhr die Stallarbeit mit Melken und Kälberfüttern beginnt. „Wir haben eine junge Melkerin, die dreimal die Woche nach ihrer Arbeit zu uns zum Melken kommt“, erzählt Pieter Reitsma von der tatkräftigen Unterstützung. Feierabend bei Jantje Reitsma und ihren Eltern ist gegen 18.30 Uhr –
eben, wenn die Stallarbeit fertig ist und alle Tiere gut versorgt sind.
Am Wochenende sei der Tagesplan etwas großzügiger gestaltet. Besonders am Sonntag reduziere sich die Arbeit auf Melken und Füttern, natürlich stets mit akribischem Augenmerk auf das Tierwohl.
Blick auf die Hofnachfolge
Ina und Pieter Reitsma bewirtschaften den Hof seit 1992. Zunächst als Pachtstelle, 2012 hat das Ehepaar die Hofstelle gekauft, das Land mit 150 Hektar – 30 Hektar Ackerland und 120 Hektar Grünland – ist Pachtland. Viele Um- und Erweiterungsbauten haben die Landwirte größtenteils in Eigenarbeit beziehungsweise mit Hilfe eines polnischen Mitarbeiters umgesetzt. Ihre beiden Töchter Nienke und Jantje sind auf dem Hof aufgewachsen und haben das Leben mit den Tieren sehr intensiv schätzen und achten gelernt. Nienke, 27 Jahre, hat auch die Richtung Landwirtschaft gewählt und arbeitet bei der Firma Lely in Westerstede als Herdenmanagerin.
„Ich wollte beruflich gerne etwas mit Tieren zu tun haben. Tierärztin stand im
Raum, doch studieren wollte ich nicht unbedingt. Mein Weg ging immer mehr in Richtung Landwirtschaft“, berichtet Jantje. „Da war die Entscheidung schnell gefällt. Meine Eltern hätten jeden anderen Beruf auch akzeptiert, haben mich in der Wahl unterstützt, aber nicht reingedrängt. Ich war und bin mir sicher, dass ich gerne in der Landwirtschaft und mit den Tieren arbeite“, bestätigt die 25-Jährige, die in der Nähe ihres Elternhauses inzwischen eine eigene Wohnung hat. „Mit dem Fahrrad sind es morgens drei bis vier Minuten zum Betrieb“, erzählt sie.
Nach der Realschule hat Jantje Reitsma eine dreijährige Ausbildung – ein Jahr Schule und zwei Jahre Fremdbetrieb – zur Landwirtin gemacht. Im Anschluss hat sie ein Jahr auf dem elterlichen Hof gearbeitet. Dann folgte die einjährige Fachschule Landwirtschaft in Oldenburg und anschließend zwei Jahre Meisterschule bei der Landwirtschaftskammer.
Auf dem Betrieb Reitsma gibt es neben der Melkerin und dem polnischen Mitarbeiter noch einen Praktikanten, der ein Jahr lang dreimal wöchentlich im Betrieb arbeitet und einen Schüler, der flexibel und nach Zeit hilft. „Die Melkerin, der Praktikant und der Schüler stammen alle nicht aus der Landwirtschaft. Sie haben viel Freude an ihren Aufgaben und bei uns vollen Familienanschluss – mit allen Sorgen und Nöten“, freut sich Jantje über das Vertrauen der jungen Leute.
Die Zukunft des Hofes
„Die Zukunft muss planbar und rentabel sein. Entweder wir verdienen an der Landwirtschaft oder mit der Landwirtschaft.“Jantje Reitsma als auch ihre Eltern lieben ihren Beruf und das Tierwohl steht oben an. „Es gibt immer neue Forderungen, die kaum mit Landwirten abgesprochen, aber von uns erfüllt werden müssen. Das nimmt uns die Lust und die Freude an unserem Beruf“,
Die junge Landwirtin Carina Dünchem aus Andernach wurde mit der Professor-Niklas-Medaille 2021 ausgezeichnet. Mit ihrem Instagram-Kanal informiert sie täglich Zehntausende rund um die Landwirtschaft. Die Medaille für besondere Verdienste und herausragendes Engagement im Zuständigkeitsbereich des Bundeslandwirtschaftsministeriums erhielten außerdem Heiner Sindel, der Vater der Regionalbewegung und Gründer des gleichnamigen Bundesverbandes, und die Tierärztin Prof. Dr. med. vet. Almuth Einspanier für ihre Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei ausgezeichnet. betont die Landwirtschaftsmeisterin und erläutert, dass sie als Meisterin ein sehr gutes Fachwissen habe. Viele Leute hätten kein Verständnis für den Beruf: „Wir produzieren Lebensmittel. Die Alternative ist, dass beispielsweise argentinisches Rindfleisch importiert wird – das ist absolut unrealistisch bei dem Transportweg, der Umweltbelastung und den Kosten“, so Jantje Reitsma, die bei fast allen Demos mit dem Trecker dabei war, um auf die Situation aufmerksam zu machen.