Nordwest-Zeitung

Die Verwässeru­ng der Klimaschut­z-Ziele

Wirtschaft­smächte finden weiterhin keine Einigung bei Datum für CO2-Neutralitä­t

- Von Andreas Landwehr

Rom – Mehr „heiße Luft“als das erhoffte „starke Signal“: Der G20-Gipfel in Rom war eine „riesige Enttäuschu­ng“für das Weltklimat­reffen COP26 in Glasgow, wie Kritiker fanden. Die Staats- und Regierungs­chefs der großen Wirtschaft­smächte (G20) konnten sich nicht auf ehrgeizige Klimaziele einigen, obwohl sie für 80 Prozent der Emissionen verantwort­lich sind. Im Abschlussk­ommuniqué fehlten neue Zusagen, konkrete Pläne oder verbindlic­he Zielvorgab­en. Von Version zu Version wurde das Papier verwässert. Wurde anfangs noch ehrlich die „Kluft“zwischen den bisher zugesagten Bemühungen und dem nötigen Weg festgestel­lt, um die Welt vor der gefährlich­en Erhitzung zu retten, wurde am Ende selbst dieses Eingeständ­nis noch gestrichen.

Kritik

Ein klarer Fehlstart, wieder eine verpasste Chance, während die Weltgemein­schaft sechs Jahre nach dem Pariser Klimaabkom­men immer weiter vom rechten Weg abkommt: Nach den vorliegend­en nationalen Aktionsplä­nen werden die Emissionen bis 2030 um 16 Prozent ansteigen – obwohl ein Rückgang um 45 Prozent nötig wäre, um die gefährlich­e Erwärmung wie in Paris vereinbart auf 1,5 Grad zu begrenzen.

„Wir steuern auf eine Erwärmung um 2,7 Grad und auf eine katastroph­ale Entwicklun­g der Klimakrise zu“, sagte Jörn Kalinski von der Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam. „Die hier an den Tag gelegte Unentschlo­ssenheit und Uneinigkei­t droht unseren Planeten zu verbrennen. Ein Hauptprobl­em in der internatio­nalen Klimapolit­ik besteht darin,

dass die Industriel­änder nicht bereit sind, anhand ihrer historisch­en Verantwort­ung für das Verursache­n der Krise und ihrer Wirtschaft­skraft fair zum global nötigen Klimaschut­z beizutrage­n“, sagt der Klimaexper­te Kowalzig weiter. „Ginge es wirklich gerecht zu, müssten die Industriel­änder schon deutlich vor 2050 klimaneutr­al werden und danach sogar eine negative Klimabilan­z entwickeln – dann ergäbe sich auch mehr Flexibilit­ät bei den übrigen Ländern.“Dazu seien die reichen Länder aber „schlicht nicht bereit“.

■ China und Russland

Unter den G20-Staaten kommt es ganz besonders auf China an, den mit Abstand

größten Produzente­n von Treibhausg­asen. Der weltgrößte Kohleverbr­aucher enttäuscht­e kurz vor dem Gipfel mit seinem Aktionspla­n. Obwohl es längst „Fünf nach

Zwölf“ist, wie Experten warnen, will das bevölkerun­gsreichste Land bis 2030 seine Emissionen noch weiter steigen lassen. Kohlendiox­idneutrali­tät will China erst 2060 erreichen,

ähnlich wie Russland und Saudi-Arabien. Indien verweist wie Peking auf die Verantwort­ung der G7.

■ G7 gegen den Rest

Die Fronten innerhalb der G20 waren aber schon vor dem Gipfel verhärtet, wie informiert­e Kreise berichtete­n. Auf der einen Seite die G7-Staaten mit den engagierte­ren Europäern, aber einem geschwächt­en US-Präsidente­n Joe Biden, der nicht weiß, ob er seine Klimapläne durch den Kongress bringt. Auf der anderen, eher passiven Seite der Rest der G20 – allen voran die Bremser China und Indien, aber auch Brasilien, Australien, Russland, Argentinie­n und SaudiArabi­en.

 ?? Dpa-BILD: Borgia ?? Deutschlan­d und Italien im Zentrum: Angela Merkel (CDU), geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin (lila Blazer), und Italiens Premiermin­ister Mario Draghi mit den weiteren G20-Teilnehmer­n vor dem Trevi-Brunnen in Rom
Dpa-BILD: Borgia Deutschlan­d und Italien im Zentrum: Angela Merkel (CDU), geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin (lila Blazer), und Italiens Premiermin­ister Mario Draghi mit den weiteren G20-Teilnehmer­n vor dem Trevi-Brunnen in Rom

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