Zeit für den Freiheitstag
Heribert Prantl plädiert für ein Ende des Alarmismus in der Pandemie
Man darf eigentlich nicht erleichtert sein, weil ja die Infektionszahlen erneut steigen. Aber ich bin trotzdem ein wenig erleichtert, dass die „epidemische Notlage“aufgehoben wird. Das heißt nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Das bedeutet lediglich, dass die Lage nicht mehr als katastrophal bezeichnet werden kann, nachdem vier von fünf erwachsenen Deutschen geimpft sind.
Ich bin ein wenig erleichtert. Ich hatte befürchtet, dass aus der Feststellung der „epidemischen Notlage von nationaler Tragweite“eine Dauereinrichtung wird. Im März 2020 ist diese Notlage erstmals ausgerufen und dann immer wieder verlängert worden, zuletzt Ende August 2021.
Ohne Verlängerung endet jetzt die per Gesetz festgestellte Notlage am 24. November.
Nach 19 Monaten Pandemie, nach 19 Monaten mit grundrechtserschütternden Ausnahmeregelungen, muss die Zeit der Selbstverantwortung des Einzelnen wieder beginnen.
Ein wenig erleichtert
Gewiss: Die Zahl der Inzidenzen steigt gerade erneut. Aber: Eine massive Gesundheitsgefahr für Geimpfte besteht nicht. Sogenannte Impfdurchbrüche sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Das Virus bedroht vor allem die Ungeimpften. Eine systemische Gefahr für das öffentliche Gesundheitswesen besteht nicht. Das ist die Lage.
Deswegen bin ich ein wenig erleichtert, sagte ich. Richtig erleichtert bin ich noch nicht. Erstens, weil das Virus ja noch nicht verschwunden ist. Zweitens, weil ich die Befürchtung habe, dass die Notstandsregeln doch bleiben, solange das Virus nicht ganz verschwunden ist. Die künftige Regierungskoalition hat beschlossen, eine Reihe von Notregeln für eine Übergangszeit aufrechtzuerhalten. Wie lange dauert die Übergangszeit, welche Regeln werden aufrechterhalten? Wenn die Notstandsregeln so lange bleiben, bis es das Virus nicht mehr gibt, werden die Notstandsregeln nie mehr verschwinden. Es ist eine Illusion, Krankheit und Schmerzen und Viren völlig entkommen
zu können. Es geht darum, Krankheit und Virus ins Leben zu integrieren, ins persönliche und ins gesellschaftliche Leben.
Es dürfen aber nicht Notstandsregeln, auch nicht Dauermaskenpflichten und schon gar nicht 2G-Regeln per Gesetz ins persönliche und gesellschaftliche Leben integriert werden. So ein neues Normal wäre fatal, das wäre gesellschaftsschädlich, das wäre demokratieschädlich.
Wir nähern uns jetzt also der virologischen Übergangszeit. In dieser Übergangszeit wird, so wie es aussieht, ein Teil der Regelungen, die jetzt noch an die Notlage von nationalem Ausmaß geknüpft sind, bestehen bleiben. Die besonders exzessiven Regeln wie der Shutdown und nächtliche Ausgangsverbote werden zwar eingefroren, können aber jederzeit wieder aufgetaut werden. Und die Bundesnotbremse bleibt auch nach wie vor im Gesetz stehen und kann aktiviert werden. Um ein anderes Bild zu gebrauchen: Es hängt weiterhin das große Geläute im Turm, zur alltäglichen Viruswarnung und Bekämpfung wird aber nur das kleine Geläut eingeschaltet. Es ist die Palette der Instrumente weiterhin da, sie werden nur nicht alle eingesetzt.
Wunsch: Normalzustand
Die jetzt geplanten Übergangsregeln werden am 20. März auslaufen, wenn nicht auch sie noch mal verlängert werden. Ein echter „Freedom Day“ist weiterhin weit weg. Es wird oft so getan, als sei ein solcher Tag etwas Hochproblematisches, als sei es unanständig, sich einen solchen Tag zu wünschen, als sei es schon an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit, einen solchen Tag zu fordern. Es ist dies aber einfach der Tag, an dem die Grundrechte wieder voll und ganz und ohne jede Einschränkungen gelten. Wer sich diesen Tag wünscht, wer ihn herbeisehnt, der wünscht sich den Normalzustand, wie ihn sich das Grundgesetz vorstellt. Das muss eigentlich unser aller Sehnsucht sein. Wer sich den Freedom Day wünscht, der will nicht das immerwährende Oktoberfest; er will einfach das uneingeschränkte gesellschaftliche und private Leben zurück.
Es ist der Wunsch nach dem großen Aufatmen nach einer Zeit der Atemschwierigkeiten. Die Erfüllung dieses Wunsches ist nichts Unmäßiges. Es ist nicht nur Zeit für das Ende der nationalen Notlage. Es ist Zeit für das Ende des Alarmismus. Es ist Zeit für die Heilung der Gesellschaft. Not- und Ausnahmeregeln können vor Unheil schützen. Für die Heilung sind die auch Grundrechte da.