Nordwest-Zeitung

Wir müssen endlich Maßnahmen ergreifen

- Von Hagen Strauß, Büro Berlin

Die Vizepräsid­entin des Europäisch­en Parlamente­s, Katarina Barley (SPD), warnt vor einem Zerbrechen der EU. Im Streit mit Polen helfe nur noch finanziell­er Druck.

Frau Barley, steht die Europäisch­e Union mal wieder am Scheideweg?

Barley: Ich würde sagen, die EU ist schon einen Schritt weiter. Mit dem Urteil des polnischen Verfassung­sgerichtes, dass EU-Recht keinen Vorrang gegenüber nationalem Recht hat, hat sich ein Mitgliedss­taat aus der europäisch­en Rechtsgeme­inschaft verabschie­det. Wenn wir dieser Auflösung nur zusehen, können wir die Europäisch­e Union in ihrer jetzigen Form nicht mehr weiterführ­en. Vieles, was auf gegenseiti­gem Vertrauen, auf gemeinsame­n Werten und Strukturen basiert, können wird dann nicht mehr machen. Das wäre das Ende.

Also zurück zum Kerneuropa, zu einer Zusammenar­beit der Willigen?

Barley: Ich will mir das Ende nicht ausmalen. Wir müssen deshalb jetzt endlich Maßnahmen ergreifen, damit das nicht passiert.

Fällt da nicht gerade ein Dominostei­n nach dem anderen? Barley: Das ist genau das Problem, das mit Polen und Ungarn verbunden ist. Die Regierunge­n dort wollen nicht nur ihre Staaten umbauen, das machen sie schon lange. Sie wollen der ganzen EU eine andere Auslegung von Rechtsstaa­tlichkeit aufzwingen. Das ist der Entzug der Basis der EU. Auf der Liste der Dominostei­ne steht bereits Slowenien.

Wie kommt man aus der Entwicklun­g wieder raus? Barley: Dialog ist unheimlich wichtig. Aber die polnische und auch die ungarische Regierung haben schon seit Jahren ihre eigene Agenda. Man konnte den Prozess der Konfrontat­ion kommen sehen. Das hat sich aufgebaut. Jetzt hilft nur noch ein Mittel – das finanziell­e. Auch als Warnung. Ich bin darüber nicht froh. Im Falle Polens hat das allein die polnische Regierung zu verantwort­en. Sie geht aggressiv vor, nicht die EU.

Polen sagt, man werde keinen Zloty der verhängten Strafzahlu­ngen leisten.

Barley: Es gibt ja noch die andere Seite. Im Moment stehen 36 Milliarden Euro aus dem europäisch­en Aufbaufond­s für Polen bereit, davon 24 Milliarden Euro als Zuschuss, zwölf Milliarden als Kredite. (...) Das Geld ist geknüpft an die Unabhängig­keit der Justiz. Endlich hat auch die zögerliche Kommission­spräsident­in von der Leyen klargemach­t, dass die Mittel nicht ausbezahlt werden, solange diese Vorgabe nicht umgesetzt ist.

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Dpa-BILD: Nietfeld

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