Sinn und Unsinn wunderbar gemischt
Regisseurin Milena Mönch reduziert Kleists „Käthchen“für die Exerzierhalle zum starken Stück
Oldenburg – Da schaukelte doch wahrhaftig ein riesiger Gaul in die Exerzierhalle. Und wie praktisch: Schweif hoch, Heckklappe auf, Alkohol raus und „Hoch die Tassen“zum heutigen 75. Geburtstag dieses Bundeslandes. Niedersachsen sei „nur besoffen zu ertragen“, soll Landesvater Alfred Kubel einst zu später Stunde gesagt haben. Als Ministerpräsident der frühen Siebziger war dieser im Jahr 1974 mitverantwortlich für die Gründung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, dem heutigen Geldgeber des Oldenburgischen Staatstheaters. Wichtig ist, was hinten rauskommt!
Dank der mindestens solide zu nennenden finanziellen Ausstattung leistet sich der künstlerische Landesbetrieb mit seinen Häusern in Oldenburg einen üppig ausgestatteten Werkstattbetrieb, der immer wieder in der Lage ist, Inszenierungen mit solch sehenswerten Bühnenbildern, atemberaubender Medientechnik und einzigartigen Requisiten auszustatten. Und da stand nun also besagtes Pferd (das Tier im Landeswappen – Zufall? Ich glaube nicht).
Schwäb’sche Gefühlsbahn
Geritten wurde zwar nicht zur Premiere von „Käthchen. Ritterin von Heilbronn“, obwohl in Heinrich von Kleists Ritterschauspiel einiges an Strecke in Württemberg zurückgelegt wird. Bekanntlich gibt’s auf der Schwäb’schen Gefühlsbahn gar viele Haltstationen. Dafür diente der Gaul in der Symbolik wechselweise als Trojanisches Pferd, mal als hohes Ross oder einfach als „Crazy Horse“.
Regisseurin Milena Mönch hat sich in ihrer Bearbeitung kaum um Konventionen geschert und ihren Figuren freien Lauf gelassen. Käthchens Unbedingtheit fasziniert, ihr Freiheitsdrang soll nicht durch die Abhängigkeit von einem Mann gebremst werden. Anna Seeberger, die im Stück „Drei Schwestern“bereits unter Mönch arbeitete, erfüllt ihre Rolle mit unbändiger Lust und Leidenschaft.
Im Original von Kleists Klassiker der Romantik treten mehr als 30 Personen auf. Die Reduktion auf sieben Charaktere hat der Bühnenfassung für die Exerzierhalle gut getan. Zudem bietet der offene Spielort dem Ensemble für 90 Minuten keinerlei Rückzugsmöglichkeit. Alle sind pausenlos im Szenenbild.
Losgelöst vom Vorbild
Milena Mönch hat sich nicht nur im Titel von Kleist gelöst. Agieren Frauen in dessen Vorlage im tradierten Handlungsmuster, treten sie bei Mönch aus ihrer Schablone heraus und den Kerlen selbstbewusst gegenüber. Die Frauen saufen und lieben, dass es ihnen eine Lust ist, und sie nehmen auch mal das Schwert in die Hand, dass es dem Grafen vom Strahl (Thomas Kramer in seinem ersten starken Auftritt) bang wird.
Der kreative Umgang mit dem klassischen Stoff ist beachtlich. Doch auch die Vorlage wurde immer wieder bearbeitet, um sie theaterfähig
zu machen. Goethe, beschrieb es dessen Biograf Witkowski, habe sich mit Kleist ein Leben lang nicht anfreunden können. Das „Käthchen von Heilbronn“bezeichnet der Dichterfürst als „wunderbares Gemisch von Sinn und Unsinn“.
Denn genau das ist geworden, was Milena Mönch mit dem Ensemble auf die Bühne gebracht: Eine sehr gelungene Bearbeitung der klassischen Vorlage, die auch das Publikum auf den Bänken der Exerzierhalle schwer begeisterte.