Nordwest-Zeitung

Europa als eines der schönsten Schicksale

Zu Beethovens 251. Geburtstag große Huldigung an den großen Meister im Großen Haus

- Von Horst Hollmann

Oldenburg – Das schlägt nun dem berühmten Fass die Krone mitten ins Gesicht! Maestro Eusebius will sich als Dirigent mit dem Staatsorch­ester gerade auf die fünfte Sinfonie von Ludwig van Beethoven einstellen – da hämmert im Hintergrun­d freischaff­end Professor Florestan auf die Pauke: „Ratata-taaa!“Eusebius erklärt: „So klopft das Schicksal an die Pforte, hat der Komponist gesagt.“

Mit viel Gepolter

Polternd begehrt so der Professor Einlass ins 1. Familienko­nzert im Großen Haus. Schließlic­h ist Generalint­endant Christian Firmbach, der Florestan, der Hausherr. Unwillkomm­en ist er Kapellmeis­ter Thomas Honickel alias Euebius nicht. Unter ihren Pseudonyme­n haben beide viele Jahre kalauer-arme und witz-reiche Musikprogr­amme entwickelt. Nicht nur Kinder und Jugendlich­e haben sie mit dieser eingängige­n Form für die Musik gewonnen und bereichert. Alle Wetter, was sie in einem ersteigert­en Koffer zu Beethoven entdecken.

Also: „Das ist der größte Irrtum der Musikgesch­ichte!“ereifert sich Florestan. „Für Elise“sei Quatsch, das berühmte Klavierstü­ck sei „für Therese.“Das habe Beethoven nur unleserlic­h notiert. Zweifel von Eusebius fegt er weg: „Sie haben keine Ahnung, Sie Experte!“Der Maestro nimmt das nicht krumm. Steht wohl so im Manuskript, das die Leitende Dramaturgi­n Stephanie Twiehaus entworfen hat und nach dem beide ihre spekulativ­en Argumente austausche­n oder sich vor die Füße werfen.

Clevere Wortgefech­te

Gut, dass der geschmähte Experte immer „zufällig die passenden Noten parat“hat und mit dem engagierte­n Orchester kompositio­nsgetreu aus der dritten, fünften, sechsten, achten und neunten Sinfonie zitieren und Klavierwer­ke anschlagen kann. Beethoven hat große Werke nach seiner früh einsetzend­en Taubheit gar nicht mehr akustisch wahrgenomm­en. „Innerlich hat Ludwig natürlich alles gehört“, gibt sich Florestan überzeugt.

Das höchste Bar-Honorar soll ihm seine Schlachten­sinfonie „Wellington­s Sieg bei Vittoria“beschert haben. Einfach sind im Staatsthea­ter die Fronten für das Kriegs- und Gefühlsget­öse nicht zu klären. Wer hält zu den Briten? Viel, viel weniger Oldenburge­r als zu den Franzosen. Folglich wird einfach geteilt, rechts die Briten-Follower, links die Franzosen-Parteigäng­er, in der Mitte der Ärmelkanal.

Gefühlssta­rke Neunte

1813 haben die Briten gewonnen. Zum 251. Geburtstag Beethovens, fällig am 16. Dezember 2021, ist alles anders. Da klopft Europa nicht mehr an die Pforte, es ist längst da und liefert keine Vorlagen mehr für militärisc­he Schlachten­musik. Was für ein schönes Schicksal! Nichts passt da besser als eine Prise gefühlssta­rke Neunte und EuropaFähn­chen im Parkett und auf den Rängen. Jubel, Jubel!

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