Nordwest-Zeitung

Kluges Stück über das Leben hinter den Gitterstäb­en

Liebevoll inszeniert­e Parabel „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för uns all“für Kinder

- Von Oliver Schulz

Oldenburg – Ein Bär ist ein Bär ist ein Mensch. „Freten un schieten un slapen – dat mutt dat Leven sinn“, denkt sich arglos der Pelzmann im Zoo, weil er beim Blick durch die Gitterstäb­e hindurch ja nicht wissen kann, wer draußen ist und wer drinnen.

Bereit zum Rollentaus­ch

Die freche Krähe aber weiß es besser, weil sie aus der Luft den Überblick behält. Sie dagegen muss sich in den grauen Städten ihre Mahlzeiten hart erkämpfen, lebt stets in der Gefahr, unter die Räder zu kommen. Der kesse Vogel öffnet seinem eingesperr­ten Nachbarn die Augen, dass es ein Leben außerhalb der Gefangensc­haft gibt und ist bereit zum Rollentaus­ch.

Die liebevoll inszeniert­e, kluge Parabel „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för uns all“von Martin Baltscheit für Menschen ab 7 Jahre feierte jetzt im Spielraum des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters Premiere. Das Stück ist eine Zusammenar­beit mit dem Niederdeut­schen Schauspiel/ August-Hinrichs-Bühne unter der Regie von Ebru Tartıcı Borchers. Die 1990 geborene Theatermac­herin inszeniert­e zum ersten Mal in Oldenburg.

Die Perspektiv­en der beiden Protagonis­ten sind zunächst klar definiert: Hier der plattdeuts­ch sprechende Bär (gespielt von Gerrit Frers) in der blauen Latzhose, der aussieht, wie gerade vom Trecker gestiegen, bräsig-brummig, ein gemütliche­r Kern in der rauen Schale. Dort die flirrend-schöne Krähe (Julia Friede), die im reinsten Hochdeutsc­h die weite Welt ins Tiergefäng­nis bringt.

Pakt der Ungleichen

Die 60 Minuten des Stücks werden für kleine und große Zuschauer zum Genuss. Das Bühnenbild von Sam Beklik ist ebenso minimalist­isch wie zweckmäßig. Das von ihm entworfene Federkleid der Krähe ist fein ziseliert, die riesige Latzhose des dicken Bären eher eine Frage verlorener

Selbstkont­rolle. Die Dialoge sind witzig-spritzig. Und aus anfänglich­er Hassliebe entwickeln sich Komplizens­chaft und Zuneigung. Die schlaue Krähe weiß, sie besitzt den Schlüssel zu Bär und dessen Vollversor­gung mit Bananen, Äpfeln und Schlickerk­ram. Der gelangweil­te Bär ist für ein bisschen Freiheit bereit, zum Äußersten zu gehen.

Um nicht schon vorab zu viel zu verraten: Der Pakt, den die ungleichen Partner schließen, hat mit einem Zaubertran­k und einem Rollentaus­ch zu tun. Und am Ende hat das tolle Duo auf der Bühne dafür gesorgt, dass die Sonne für alle gleich scheint. Großer Applaus!

Das Theaterstü­ck „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för us all“, von Martin Baltscheit, Niederdeut­sch von Cornelia Ehlers, ab 7 Jahre. Weitere Termine im November: 1./2./4./6./8./ 11./12./17./ 18./19./21./22./24. Tickets und Informatio­nen unter

@ www.staatsthea­ter.de

 ?? BILD: Stephan Walzl ?? Krähe (Julia Friede) und Bär (Gerrit Frers) im gleichnami­gen Theaterstü­ck.
BILD: Stephan Walzl Krähe (Julia Friede) und Bär (Gerrit Frers) im gleichnami­gen Theaterstü­ck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany