Hier dürfen Sehbehinderte mal wieder Gas geben
Aktion von Verkehrswacht und Partnern auf Fliegerhorst – Fahrlehrer als Beifahrer
Oldenburg – Die Stimmung war bestens auf dem Fliegerhorst, als sich rund zehn sehbehinderte, ja sogar blinde Menschen, bei typisch Oldenburger Regenwetter ans Steuer des knapp 100 000 Euro teuren Tesla X wagten. In wenigen Sekunden hätte dieser Wagen die Geschwindigkeit von 100 km/h erreicht.
Das war weder das Ziel von Fahrlehrer Walter Lohmann aus Cloppenburg, noch von der sehbehinderten Fahrerin Ingrid Foken am Sonnabend auf der Startbahn des ehemaligen Fliegerhorstes Oldenburg.
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Die Veranstalter
Die Verkehrswacht Stadt Oldenburg veranstaltete dort zusammen mit der Fahrschule Lohmann aus Cloppenburg, dem Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen, Regionalverein Oldenburg, und dem Rasteder Automobilclub die Aktion „Autofahren für sehbehinderte und blinde Personen“.
Eigentlich war sie innerhalb der Oldenburger Inklusionswoche im Mai geplant gewesen, musste aber wegen den
Startbereit: Der stark sehbehinderte Oldenburger Lutz Freese am Steuer freut sich auf die Fahrt mit Fahrlehrer Walter Lohmann.
damaligen Bedingungen der Pandemie ausfallen. Jetzt galt die 3G-Regel und der Ablauf war so: Die blinde oder sehbehinderte Person nimmt auf dem Fahrersitz des Fahrschulwagens Platz und fährt nach Anweisung des Fahrlehrers einen kleinen Parcours ab.
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Das Teilnehmerfeld
Jahren nicht am Steuer eines Fahrzeugs gesessen. Damals nämlich, als bei ihr das Usher Syndrom (Hörsehbehinderung) ausbrach. An Autofahren war nicht mehr zu denken. Sichtlich stolz sitzt sie nun auf dem Fahrersitz. Das große fest eingebaute Navigationsgerät nimmt sie nur in Umrissen wahr. Wie auch die Landschaft vor und hinter ihr. Sie drückt auf das Gaspedal.
Bei dem schlechten Wetter ist es auch für Fahrlehrer Walter Lohmann schwer, klare Umrisse in der Landschaft zu erkennen. Aber als geschulter Fahrlehrer weiß er, dass 100 km/h an diesem Tag nicht angezeigt sind. Ingrid Foken zeigt durchaus Professionalität am Lenkrad. „Sehr hilfreich ist natürlich, dass ihr Fahrzeug mehr sieht als die Fahrerin“, meint Walter Lohmann.
Deshalb ist es auch kein Problem, mal die Kurve zu dem großen Hangar zu nehmen. Ingrid Foken ist ganz glücklich und total entspannt, als sie nach 15 Minuten wieder beim Fahrzeug der Verkehrswacht angekommen ist und ein bisschen traurig, dass sie dieses Erlebnis abbrechen muss.
Der nächste Fahrer ist Lutz Freese (60) aus Oldenburg. Er
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Die Bedeutung
Für alle Betroffenen scheint dieser Kurs seine individuelle Bedeutung zu haben. Mancher nimmt die Erfahrung als Steigerung des Selbstwertgefühls mit, für andere ist es die Erinnerung an schöne Zeiten und wieder andere wollen einfach nur Spaß haben.
Einfach einmal selber Gas geben können, bremsen, den Wagen fühlen, einen Positionswechsel im „Straßenverkehr“erleben, das möchten sie. Teilnehmerin Petra nutzt gleich die Gelegenheit, mal mit 120 km/h am Wagen der Verkehrswacht vorbei zu rauschen. Auch wenn alle wissen, dass sie gut durch Walter Lohmanns „Betreuung“geschützt ist. Einige zucken dann doch zusammen.