„Up eegen Fööt“von Dylan bis Breitband
Oldenburger Singer-Songwriter Iko Andrae legt mit seiner Band zweites plattdeutsches Album vor
Oldenburg – „Gahn över’n Groden, gröön soltig Groden. Flegen as en Vagel, schreen as en Mööw in d‘ Sömmerwind.“So beginnt textlich das neue Album des Oldenburger Singer-Songwriters Iko Andrae. Und genau so beginnt es auch musikalisch. Fast verblüffend: Schon der erste Gitarrenakkord von „Gröön soltig Groden“scheint ganz weit eine Tür aufzustoßen, die direkt raus auf eine Salzwiese an der rauen Nordsee führt.
Ein Schimmer Hoffnung
Und das ist kennzeichnend für „Moses“, so der Titel des 13 Songs umfassenden Albums: Der Band, neben Iko Andrae (Gesang, Gitarre, Kontrabass) aus Andreas „Bahli“Bahlmann (Drums), Michael Jungblut (Gitarre) und Olaf Liebert (Bass) bestehend, gelingt es mit höchster Treffsicherheit, die plattdeutschen Texte in Noten umzusetzen.
„Ganz up egen Fööt“, der Tihat tel, der am Anfang dieses Projekts stand und der für Iko Andrae den Ausschlag gab, nach „Stiekelstrüük“von 2011 zum zweiten Mal ein plattdeutsches Album aufzunehmen, ist auch so ein Beispiel. Man möchte den armen Kerl, der da plötzlich gezwungen ist, auf eigenen Füßen zu stehen, in den Arm nehmen, so traurig ist der Song. Das liegt am Text, der „van deepest blau to düstert swart“reicht. Es liegt aber auch an der Musik, die genau dieses Farbspektrum abbildet. Und dabei hier wie in anderen Titeln eines doch immer schafft: Wenn der Himmel noch so wolkenverhangen ist und das Leben es nicht gut mit einem meint, hat die Band stets auch einen Schimmer Hoffnung parat. So weiß man von dem verlassenen Typen: Ja, er wird es schaffen, er wird irgendwie lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
Flüchtlingsschicksal
Musikalisch wird hier und da geknopflert, gibt es Country und ein bisschen Blues oder, wie in dem eindringlichen, vom Schicksal eins syrischen Flüchtlings handelnden „Alleen“, auch mal Breitband. Dylan lässt grüßen, Niedecken kurz die Nase in das zum Aufnahmestudio umfunktionierte Wohnzimmer gesteckt. Sehr geschmackvoll und stimmig ist das alles, zudem exzellent produziert.
Die Texte – zur einen Hälfte aus der Feder Iko Andraes und zur anderen aus der seines Vaters, des 1997 verstorbenen Jeveraner Lyrikers Oswald Andrae, stammend – changieren zwischen persönlich und politisch. Auch wer des Plattdeutschen nicht so mächtig ist, sollte alles verstehen können, zumal der CD ein Booklet beiliegt, in dem die Texte abgedruckt sind. Es lohnt sich, sie zu lesen. Oder eben einfach genau zuzuhören.
Man könnte an dieser Stelle einen Vergleich zu Helmut Debus ziehen, dem wunderbaren plattdeutschen Songpoeten aus der Wesermarsch – zumal die Musiker von „Moses“auch die Band des Brakers darstellen, Iko Andrae inklusive. Man kann es aber auch bleiben lassen. „Moses“kann sehr gut für sich alleine (be-)stehen, eben ganz up egen Fööt.